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Allg. Zeitung Mainz: Götterdämmerung / Kommentar zur Staatskrise in der Türkei

Geschrieben am 26-12-2013

Mainz (ots) - Er wäre so gerne als der zweite Vater der modernen
Türkei in die Geschichte eingegangen. Und tatsächlich hat niemand
seit Mustafa Kemal Atatürk den Brückenkopf zwischen Orient und
Okzident so nachhaltig verändert wie Ministerpräsident Recep Tayyip
Erdogan. Erdogan, der sich vom Sesamkringel-Verkäufer zum
international geachteten Staatsmann hochgearbeitet hat, hat in den
vergangenen elf Jahren die Macht der Militärs beschnitten, das
islamisch geprägte Anatolien mit dem modernen Staat versöhnt und eine
Mittelschicht begründet, die das atemberaubende Wachstum der
türkischen Wirtschaft ermöglicht hat und von diesem profitiert. Die
aktuelle Korruptionsaffäre in der Türkei befördert die
Götterdämmerung des scheinbar allmächtigen Ministerpräsidenten
allerdings noch stärker als die Gezi-Proteste der urbanen
Facebook-Generation vor einigen Monaten. Mit einem Schlag wird einer
breiten Öffentlichkeit im Land deutlich, dass ausgerechnet Erdogans
AKP - die "weiße Partei", die ihre historischen Erfolge auch aus dem
Versprechen der Korruptionsbekämpfung bezog - genauso unverhohlen
ihre Pfründe aufteilt, wie andere Regierungen zuvor. Erdogans
bewährtes Reaktionsmuster aus nationalistischer Attacke
("internationale Verschwörung") und umgehender Reaktion (das halbe
Kabinett ausgetauscht), wird ihm nur begrenzt bzw. nur kurzfristig
helfen. Zu groß und zu weit gefächert ist diesmal die Reihe derer,
die sich mit Erdogans Vernebelungspolitik nicht zufriedengeben
werden. Polizei und Justiz: Es ist eine Ironie der Geschichte, dass
Erdogan auf dem Weg zur Annäherung der Türkei an Europa das Militär
geschwächt und die Justiz gestärkt hat. An seinem Salto rückwärts,
der willkürlichen Enthauptung von Polizei und Justiz, kann sich die
Machtfrage entzünden. Die Europäische Union: Sie kann nicht wort- und
tatenlos zusehen, wie missliebige Staatsanwälte entlassen und die
Ermittlungsbehörden an die kurze Leine der Regierung genommen werden.
Die Vereinigten Staaten: Der wichtigste militärische Partner sieht
sich unversehens im Zentrum einer wilden Verschwörungstheorie.
Washington wird zudem nicht zulassen, dass die Türkei im groß
angelegten Stil das Embargo gegen den Iran bricht. Staatspräsident
Abdullah Gül: Erdogans Weggefährte scheint sich angesichts dessen
Autoritätsverfalls zu seinem Widersacher zu entwickeln. Er könnte im
besten Falle eine Schlüsselrolle einnehmen. Wenn es der AKP nicht
gelingen sollte, sich über kurz oder lang von ihrem Übervater zu
emanzipieren, droht die Türkei zu einem Hort der Instabilität zu
werden. Ein Schreckensszenario für Europa und für den Nahen Osten.



Pressekontakt:
Allgemeine Zeitung Mainz
Florian Giezewski
Regionalmanager
Telefon: 06131/485817
desk-zentral@vrm.de


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