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Badische Zeitung: Ganz Große Koalition aus Union, SPD und Kohlelobby - Gastbeitrag von Eicke R. Weber

Geschrieben am 13-12-2013

Freiburg (ots) - Die Bildung der großen Koalition 2013 wird als
eine der schwierigsten Regierungsbildungen Geschichte machen: Fast
drei Monate nach der Bundestagswahl ist sie noch nicht abgeschlossen.
Solidarität mit der Parteiführung wird die SPD Mitglieder wohl davon
abhalten, ihren Vorstand mit einer Ablehnung der
Koalitionsvereinbarung abzustrafen. Erst an diesem Samstag werden wir
es jedoch wissen. Leider wurde die Gelegenheit zu wesentlichen
Reformen in der Koalitionsvereinbarung kaum genutzt. Wie steht es mit
einer Grundgesetzänderung zum Bund-Länder-Verhältnis, um das
desaströse Verbot der direkten Unterstützung von Universitäten durch
den Bund zu beenden? Werden wir den CO2-Zertifikatehandel durch
Einführung eines Mindestpreises endlich effizient machen? Viel
Diskussions-Aufwand wurde in zahlreiche Kleinigkeiten gesteckt,
während große, wichtige Reformthemen kaum neue Initiativen erwarten
können. Ein Thema macht dabei ganz besondere Sorgen, die Zukunft der
Energiewende. Die äußerst gut vernetzte und bestens finanzierte Lobby
der Kohle- und Nuklearfreunde hat es geschafft, die Energiewende mit
dem Argument der Unzuverlässigkeit und Unbezahlbarkeit schlecht zu
reden. In meinem Institut konnten wir dagegen in einer sehr
detaillierten Studie nachweisen, dass eine nahezu
100-Prozent-Versorgung Deutschlands aus regenerativen Energien,
besonders Sonne, Wind, Wasserkraft und Biomasse aus Abfallstoffen, zu
einer verlässlichen Energieversorgung führen könnte. Die Kosten dafür
würden im etablierten Zustand nur den heutigen Energiekosten
entsprechen. Zweierlei ist wichtig: Ohne Energiewende würden die
Kosten unserer Energieversorgung weiter steigen, wie wir es in den
letzten Dekaden erlebten. Die Energiewende wird also zu einer
langfristigen, volkswirtschaftlich sehr vorteilhaften Stabilisierung
unserer Energiekosten führen. Die Sonne schickt keine Rechnung, im
Gegensatz zu unseren Öl-, Gas-, Kohle-, und Uran-Lieferanten im
Ausland. Dies spricht gleich den zweiten Vorteil an: Heute überweisen
wir etwa die Hälfte der Kosten unseres Energiesystems für den Import
dieser Brennstoffe ins Ausland. Nach der Energiewende werden wir nur
noch Erhaltungskosten im Inland haben. Die Gelder bleiben also bei
uns und schaffen Arbeitsplätze. Zusätzliche Profite bringt der Export
von Energiewende-Technologien. Natürlich wird die Energiewende nicht
umsonst sein. In den nächsten 20 bis 30 Jahren werden wir erhebliche
Investitionskosten zu stemmen haben, die zunehmend die Kosten des
Erhalts unseres jetzigen, konventionellen Systems ersetzen. Die
EEG-Umlage, die Umlage auf den Strompreis für den Zubau erneuerbarer
Energien, ist ein ausgezeichnetes Beispiel dieses Prozesses. Ja, wir
zahlen ab dem 1. Januar 2014 rund sechs Cent pro Kilowattstunde
Umlage. Wegen der so drastisch abgesenkten Einspeisepreise für
Solarstrom werden aber die Kosten des Zubaus erneuerbarer Energien
2013 nur noch 0,16 Cent pro Kilowattstunde betragen. Der Rest kommt
von der Ausweitung der Zahl der von der Umlage ausgenommenen Firmen
sowie der weiteren Senkung der Preise an der Strombörse in Leipzig.
Die EEG Umlage berechnet sich aus der Differenz der Einspeisepreise
zu diesen Spot-Markt-Preisen, die durch die Einspeisung rasch
wachsender Mengen an regenerativ erzeugtem Strom sinken. Einige
Stromversorger - wie die gerade durch den Bundesumweltpreis
ausgezeichneten EWS in Schönau - geben dies auch an die Verbraucher
weiter. All dies ist der Kohlelobby natürlich ein Dorn im Auge. Sie
hat es geschafft, in die Koalitionsvereinbarung einen Satz zur
langfristigen Erhaltung der Kohleverstromung einzuschmuggeln. Um es
klar zu sagen: In einem Energiesystem mit einem hohen Anteil an
regenerativ erzeugtem Strom haben durchlaufende Grundlastkraftwerke
wie Braunkohle- und Kernkraftwerke keinen Platz mehr, da Sonne und
Wind tagsüber fast 100 Prozent der Stromversorgung decken. Gebraucht
werden zur Ergänzung flexible Kraftwerke, besonders auf Biogas
umstellbare Gaskraftwerke, optimal im Blockheizbetrieb. Ein Beispiel
der guten Vernetzung mit der Kohlelobby ist die Dezember-Ausgabe der
SPD-Mitgliederzeitung Vorwärts. Darin hat die Kohlelobby gleich
mehrere Anzeigen aufgegeben. Eine kohlekritische Anzeige des
Solarenergie Fördervereins Deutschland (SFV) hat der Vorwärts dagegen
abgelehnt. Selbst als der SFV bereit war, kritische Äußerungen zum
Koalitionsvertrag abzuschwächen.

- Der Autor ist Direktor des Fraunhofer-Instituts für Solare
Energiesysteme in Freiburg.



Pressekontakt:
Badische Zeitung
Anselm Bußhoff
Telefon: 07 61 - 4 96-0
redaktion@badische-zeitung.de


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