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"DER STANDARD"-Kommentar: "Skurriles Schauspiel" von Alexandra Föderl-Schmid

Geschrieben am 24-10-2012

Der Nationalfeiertag wird für eine Militärschau genutzt, nicht
zur Sachdiskussion - Ausgabe vom 25.10.2012

Wien (ots) - Wenn der Vorhang des Staates aufgeht, sehen wir an
jedem österreichischen Tag (und also auch am Nationalfeiertag) ein
Lustspiel für Marionetten." So beschrieb Thomas Bernhard seine
Gedanken "Zum österreichischen Nationalfeiertag 1977". Viel hat sich
nicht geändert, wenn man das alljährliche Spektakel auf dem
Heldenplatz betrachtet. Da rollen in den Tagen davor bereits Panzer
über den Ring und sorgen nicht nur bei Touristen für irritierte
Blicke. Kinder dürfen dann auf ihnen herumklettern und werden von
Soldaten in Uniform instruiert. Und das offizielle Österreich
marschiert zum Kranzniederlegen auf. Man muss nicht unbedingt einen
Blick von außen wie Derek Scully haben, der die Form des offiziellen
Gedenkens aus Anlass des Nationalfeiertags in der Irish Times höchst
"irritierend" fand. Seine Einschätzung: Eine solche militärische
Leistungs- und Gedenkschau wäre in Irland undenkbar und sei
angesichts der zur Schau getragenen Neutralität widersprüchlich. Das
trifft erst recht auf die Politik zu. Denn beide Regierungsparteien
haben ihre Positionen innerhalb weniger Monate so verändert, dass sie
sich auf dem jeweils anderen Standpunkt wiederfinden. Das gehört zu
jenen österreichischen Skurrilitäten, die nicht nur ausländischen
Beobachtern unverständlich sind. Das hat mit den Boulevardmedien und
der Hörigkeit der Politik zu tun. Das Spektakel am Heldenplatz in
Blickweite des Burgtheaters könnte sich heuer sogar noch zu einer
Tragödie entwickeln. Wenn der Chef des Generalstabs, Edmund Entacher,
diese Freiluftbühne nutzt, um das zu verkünden, was er bei einem (vom
Ministerium finanzierten) Empfang jüngst erklärt hat: Er werde mit
Blick auf die Volksbefragung zur Wehrpflicht im Jänner nicht schon im
November in Pension gehen. Damit stilisiert sich der glühende
Wehrpflicht-Anhänger und Sozialdemokrat unter Beifall der ÖVP zum
Widerstandskämpfer und verstärkt den Mitleidseffekt für seinen
Minister Norbert Darabos (SPÖ), der nun mit Verve das Gegenteil
dessen verkündet, was vor kurzem noch seine Überzeugung war. Beide
Koalitionsparteien werden die Gelegenheit des Nationalfeiertages
nicht ungenutzt verstreichen lassen, ihre Standpunkte zu trommeln.
Dabei wäre dies eine Chance, nicht zu agitieren, sondern zu
informieren. Und sich berechtigte Fragen zu stellen: Wozu braucht man
das Bundesheer? In dieser Form? Die Debatte wird von zwei Themen
überlagert, die mit dem militärischen Zweck nichts direkt zu tun
haben: Wer hilft im Katastrophenfall? Und was passiert im
Sozialbereich, wenn es keine Zivildiener mehr gibt? Daraus könnte
sich eine positive Debatte entwickeln: über den Wert von freiwilligen
Einsätzen, wie sie bei der Freiwilligen Feuerwehr oder beim Roten
Kreuz geleistet werden. Dass für ein freiwilliges Soziales Jahr nicht
einmal der Mindestlohn bezahlt werden soll, ist beschämend. Die
Frage, wozu ein - noch dazu neutrales - Land mitten in der EU mit
gemeinsamer Außen- und Sicherheitspolitik und sogenannten
Battlegroups noch das Bundesheer im derzeitigen Zustand oder
militärisches Gerät wie Eurofighter braucht, wird nicht gestellt.
Nicht gestellt wird auch die Frage nach dem Sinn von
Kriegerdenkmälern. Denn was passiert an diesem Nationalfeiertag?
"Wenn wir genauer hinschauen, sehen wir, was wir immer gesehen
haben", schrieb Thomas Bernhard.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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