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Mittelbayerische Zeitung: Bei Temelin-Kritik schaltet Tschechien auf taub Prag verweist auf sichere Kernkrafttechnik - ganz wie deutsche Regierungsvertreter vor Fukushima. Leitartikel von Christine Sc

Geschrieben am 21-03-2012

Regensburg (ots) - In Tschechien verpuffen bayerische Bedenken
gegen den Ausbau des grenznahen Atommeilers Temelin.
Ministerpräsident Horst Seehofer hat zwei Mal seine Standpunkte und
die Sorgen der Bürger im Freistaat in Prag vorgetragen. Der frühere
Umweltminister Markus Söder hat einen dicken Fragenkatalog abgegeben.
Diese Woche ist der Umweltausschuss des Landtags vor Ort. Doch außer
höflichen Worten und dem Versprechen auf eine Anhörung der
Kernkraftgegner bei einem Termin in Deutschland gibt es von
offizieller Seite nichts. Das liegt nicht daran, dass die Tschechen
ein unfreundliches Völkchen wären. In Energiefragen prallen aber zwei
völlig entgegengesetzte Positionen aufeinander. Und seien wir
ehrlich: Vor der Katastrophe im japanischen Fukushima hätten
potenzielle Isar-1-Gegner aus Tschechien von den Regierenden in
Bayern auch nicht mehr als milde Nachsicht kassiert. Den lange vor
uns sehr kernkraftkritischen Österreichern ist es bekanntlich so
ergangen. In Tschechien hat sich fatalerweise die Meinung
festgesetzt, dass die Deutschen in Energiefragen nicht mehr ernst zu
nehmen sind. Die Kehrtwende nach der japanischen Atomkatastrophe gilt
als Kurzschlussreaktion. Vor allem da Schwarz-Gelb erst kurz davor
die Laufzeiten von Atommeilern verlängert hatte. Eine zentrale Frage
bleibt: Warum hat Fukushima in Tschechien so gar nichts an der
Einschätzung zur Atomkraft verändert? Warum setzt man in Regierung
wie Opposition und weiten Teilen der Bevölkerung weiter auf Kernkraft
und verweist darauf, dass Erdbeben und Tsunamis im eigenen Land nicht
zu erwarten sind? Wo doch die Lehre aus Fukushima eine andere ist: Es
können Gefahrenkonstellationen unterschiedlicher Art auftreten, die
man zuvor für unvorstellbar hielt. Es ist ein Bündel von Gründen, das
die Tschechen an Atommeilern festhalten lässt: Erstens gibt es eine
tief verwurzelte Technikgläubigkeit. Atomkraft gilt zweitens im Land
der vielen Kohlekraftwerke als "umweltschonende" Lösung der
Energieversorgung. Drittens ist die eigene Energieautarkie von hohem
Wert. Gerade von den Russen möchte man auf keinen Fall abhängig sein.
Viertens fürchtet man Folgen für die Wirtschaft: Auf Finsternis und
Arbeitslosigkeit wird das plakativ verknappt. In einem Land mit einem
Durchschnittseinkommen von unter 1000 Euro ein schlagendes Argument.
Korrektive gibt es kaum. Die Grünen spielen eine marginale Rolle.
Schlechte Erfahrungen mit der Fotovoltaik - Großanlagen verschandeln
die Landschaft - haben zudem die Lust auf erneuerbare Energien
dezimiert. Das heißt nicht, dass Tschechien auf ewig Atomstaat
bleiben will. Schon jetzt erweisen sich hohe Kosten als wichtigste
Bremse. Von zuletzt zehn und mehr geplanten neuen Kraftwerksblöcken
sind nur mehr zwei für Temelin ernsthaft im Gespräch. Das
Energiewende-Land Bayern kann mit erhobenem Zeigefinger jedenfalls
kein Umdenken in Gang setzen. Auf nichts reagieren die stolzen
Tschechen allergischer - und haben da viel mit den stolzen Bürgern im
Freistaat gemeinsam. Nicht Worte, sondern Taten zählen, damit die
Tschechen bei Atomkraftkritik nicht mehr auf taub schalten. Wenn in
Bayern die Energiewende gelingt, ohne dass die Wirtschaft erlahmt,
steigt auch Tschechien mit ins Boot. Bisher steht dieser Beweis aus.
Stattdessen klagen die Tschechen, dass sie schon jetzt die ersten
Folgen der deutschen Energiewende ausbaden müssen. Regenerativer
Strom aus dem Norden Deutschlands wird zu Spitzenzeiten wegen zu
geringer deutscher Netzkapazitäten über Tschechien in den Süden
geleitet. Die Gefahr eines Blackouts droht, heißt es. Sympathien
weckt das nicht - vor allem weil Deutschland diese Sorgen aus Sicht
der Tschechen nicht wirklich ernst nimmt.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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