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BERLINER MORGENPOST: Wie Überfluss Hunger produziert / Leitartikel von Ulli Kulke

Geschrieben am 13-03-2012

Berlin (ots) - Erschreckendes schmiert uns eine Studie aus dem
Bundeslandwirtschaftsministerium aufs Butterbrot: Elf Millionen
Tonnen noch verzehrbare Lebensmittel werfen die Deutschen Jahr für
Jahr in den Abfall. Auch wenn die noch halb volle Packung Schinken,
der Käse mit dem abgelaufenen Haltbarkeitsdatum oder der etwas
angegilbte Salat niemand vor dem Verhungern retten könnten, wenn wir
all dies nicht in den Mülleimer werfen, so hat unser Verhalten
dennoch etwas mit dem Welthunger zu tun. Es geht ja nicht darum, dass
wir die überflüssige Nahrung aus unserem Haushalt nach Afrika
schicken. Klar ist aber, dass die Überschussproduktion hierzulande
und auch der Überschussimport - vor allem an Fleischprodukten - die
begrenzten Ressourcen an Land und Wasser unnötig überbeanspruchen.
Die Getreidemärkte der Welt hängen zusammen wie kommunizierende
Röhren, ebenso die internationalen Märkte für Ackerböden, auf denen
sich Investoren aus den USA und Europa, zunehmend auch aus China und
Indien tummeln und die Pachtpreise in die Höhe jagen, sodass die
Kleinbauern in Afrika von ihren ertragreichen Liegenschaften
vertrieben werden. Wird es zu knapp auf diesem Markt, fallen die
Urwaldriesen, um Platz zu schaffen. Besonders hoher Aufwand wird für
die Fleischproduktion betrieben, die ein Mehrfaches an Getreide fürs
Viehfutter erfordert, verglichen mit der Menge, die wir bei derselben
Kalorienzahl selbst zu uns nähmen. Da in den meisten Schwellenländern
bis hin zu dem so bevölkerungsreichen China der Hang zu dieser
"veredelten", der tierischen Nahrung parallel mit dem Wohlstand
wächst, verstärkt sich der Druck auf die Ackerflächen noch
zusätzlich. Viele regen deshalb an, den Fleischkonsum zu drosseln
oder ganz einzustellen. Wer sich darauf nicht einlassen will, täte
immerhin schon mal gut daran, weniger wegzuschmeißen. Die Produktion
von Fleisch benötigt im Vergleich zur Pflanzenkost obendrein ein
Vielfaches an Trinkwasser, was in manchen Exportländern knapp ist.
Auch wenn es hierzulande - außer den hohen Preisen - absolut keinen
Grund zum Wassersparen gibt, unser "virtueller" Wasserverbrauch durch
den Nahrungsimport ist für viele Länder durchaus ein Problem.
Verantwortlich für den immensen Nahrungsabfall ist der Handel nur zu
fünf Prozent, zwei Drittel stammen aus Privathaushalten, der Rest aus
Gaststätten, Kantinen und Schulen. Wir müssen uns also an die eigene
Nase fassen, wenn uns dieser Müllhaufen stinkt, können die Schuld nur
in geringerem Maße auf die Politik oder den Handel abwälzen.
Unüberlegtes Einkaufsverhalten, mangelnde Gelassenheit beim Umgang
mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum, Abneigung gegen zu kleine
Kartoffeln und zu krumme Gurken sind für die 81 Kilo Nahrung
verantwortlich, die ein Durchschnittshaushalt jedes Jahr wegwirft.
Lange haben wir übrigens gelacht über die absurde EU-Regelung, nach
der allzu krumme Gurken aus dem Handel ferngehalten wurden. Längst
ist die Regelung aufgehoben. Die krummen Gurken kommen dennoch nicht
ins Angebot, weil sie niemand kaufen will. Wir können also
weiterlachen. Aber über uns selbst, nicht mehr über die
EU-Bürokraten.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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