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junge Welt: Sanieren mit einer Mark Noch eine Rettungsgeschichte: Wie Dietmar Bartsch die junge Welt rettete

Geschrieben am 13-01-2012

Berlin (ots) - Natürlich hat die junge Welt kein höh´res Wesen
gerettet. Auch kein Gott, kein Kaiser noch Tribun. Sicher auch nicht
der Linkspartei-Politiker Dietmar Bartsch. Der soll aber laut Bericht
von Frankfurter Rundschau und Berliner Zeitung vom Freitag, 13.
Januar 2012 nicht nur die junge Welt sondern auch die
SED-Nachfolgepartei gerettet haben - letztere gleich mehrmals.
Immerhin läßt Autor Bernhard Honnigfort, der unter Birgit Fehrle für
die Dumont-Redaktionsgemeinschaft arbeitet, im Falle der
SED-Nachfolgepartei durchklingen, daß der Retter auch noch ein paar
Köche dabei hatte, als er diverse Angriffe auf die Partei
zurückschlug. Heute wolle Bartsch in der Linkspartei als nächster
Vorsitzender "Ordnung schaffen und dem Durcheinander Richtung geben,
bevor sich alles verheddert", loben die Zeitungen. Die nächste
Rettungsgeschichte also, an deren Zustandekommen die
Redaktionsgemeinschaft mitbasteln will und deshalb offensichtlich die
Plaudereien des Retters ungeprüft übernimmt und auf kritische
Nachfragen verzichtet.

Im Beitrag der Dumont-Zeitungen wird Bartsch zunächst in blumiger
Sprache als pragmatischer, kühler Ökonom beschrieben. Und als "genau
der, der damals gebraucht wurde." Von wem und für was, steht leider
nicht da. Damals, das waren die wichtigen Monate nach dem Mauerfall
1989. Weiter heißt es: "Er wurde Geschäftsführer des Verlags "Junge
Welt", der das ehemalige Blatt der FDJ herausgab. Er schwenkte im
Hauruckverfahren von Planwirtschaft auf Kapitalismus um und rettete
den maroden Betrieb. Es gibt sie heute noch, die "Junge Welt". Das
linksradikale Blatt hasst den Sanierer von einst abgrundtief und
zieht bei jeder Gelegenheit über ihn her." Frau Fehrle steht ein
ganzes Redaktionsteam für ihre Topstories für mehrere Zeitungen zur
Verfügung - und dann wird so schlecht recherchiert? Denn tatsächlich
wurde der ehemalige DDR-Verlag "Junge Welt" weder gerettet noch
saniert. Er wurde knallhart zerschlagen. Bis heute ist ungeklärt,
wieso die entlassenen Beschäftigten keine anständige Entschädigung,
beispielsweise aus den nicht wenigen Immobilienwerte, erhalten haben,
obwohl der Verlag eine GmbH war. Einzelne lukrative Produkte des
Verlages krallten sich Westunternehmen, wie es damals üblich war. Die
Junge Welt, in jenen Jahren noch immer eine Tageszeitung mit
sechsstelliger verkaufter Auflage, also von großem Wert, wurde für
eine Mark an einen kruden Westberliner Verleger privatisiert, unter
dessen Anleitung die Zeitung dann Anfang April 1995 in den
endgültigen Konkurs geschickt werden sollte. Mitarbeitende und
Leserinnen und Leser lehnten sich dagegen auf, gründeten den Verlag
8. Mai GmbH und später die Genossenschaft LPG junge Welt eG. Um die
schwierige Startphase der neuen Herausgeber der jungen Welt
überstehen zu können, klopften sie auch bei Dietmar Bartsch an, der
mittlerweile Kassenwart der PDS war. Legendär das Meeting mit dem
Finanzchef der Genossen, bei der er den um das Überleben kämpfenden
junge Welt-Mitarbeitern (darunter auch der Autor dieser Zeilen) ins
Stammbuch schrieb, daß die junge Welt keinerlei Chance haben wird,
wenn sie führende Genossen der PDS anpinkele. Wir baten damals um
einen Kredit in Höhe von 60.000 DM, Bartsch stellte nicht einmal die
eine Mark zur Verfügung, die er damals beim Verkauf der jungen Welt
eingenommen hatte. Das war der tatsächliche Beitrag von Dietmar
Bartsch zur Rettung der jungen Welt. Eine einzige Nachfrage hätte die
Kollegen der Dumont-Zeitungen vor dieser peinlichen Zeitungsente
bewahren können.

Ob Bartsch sich gefälliger verhalten hätte, wenn wir uns damals
seinem Ansinnen offener gezeigt hätten, wissen wir nicht. Jedenfalls
hassen wir den "Sanierer von einst" nicht abgrundtief sondern sind
ihm in gewisser Weise sogar dankbar. Denn nur weil er sich damals so
ablehnend gezeigt hatte, können wir heute sagen, daß die PDS
keinerlei Aktie am Überleben der jungen Welt nach 1995 hat. Und
wahrscheinlich können wir nur deshalb heute als unabhängige Zeitung
existieren, kann uns auch ein versteckter Anzeigenboykott der
Linkspartei, mit dem wir es zur Zeit zu tun haben, nichts anhaben.
Jedenfalls ziehen wir nicht über Bartsch her, nehmen uns aber die
Freiheit, über sein Wirken zu berichten und es politisch
einzuschätzen. Auch wenn ihm das bis heute nicht passen mag.
Gefällige Berichterstattung überlassen wir lieber anderen.

Dietmar Koschmieder

- - -

Dieser Beitrag erscheint in der Wochenendausgabe der Tageszeitung
junge Welt vom 14./15. Januar 2012. Der Autor des Artikels ist
Geschäftsführer des Verlags 8. Mai GmbH, der die Zeitung herausgibt.



Pressekontakt:
junge Welt
Redaktion
Telefon 030 / 536355-0
redaktion@jungewelt.de


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