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WAZ: Wulff in Stahlgewittern. Leitartikel von Ulrich Reitz

Geschrieben am 08-01-2012

Essen (ots) - Hätte Angela Merkel wissen müssen, von welcher Art
ihr Kandidat für das höchste Staatsamt ist? Hätte sie nicht nur mit
seiner Routine als Spitzenpolitiker rechnen müssen, sondern auch mit
der Rückseite dieser Medaille, seiner außerordentlich bemerkenswerten
Abgebrühtheit?

Krieg, Stahlgewitter - geht's noch? Für seine Entgleisungen
gegenüber dem Bild-Chefredakteur hat Christian Wulff sich
entschuldigt. Dass er danach auch noch auf den Springer-Vorstandschef
losgegangen ist, hat er verschwiegen. Eine halbe Wahrheit mehr. Nun
wird deutlich, dass Wulffs Entschuldigung nicht ernst gemeint war.
Der Präsident hat ergo nicht nur ein taktisches Verhältnis zur
Wahrheit, sondern auch ein taktisches Verhältnis zur Entschuldigung.
Wie wenig es Wulff wirklich ernst gemeint hat, offenbart eine andere
Geschichte. Der Präsident hat einen Reporter der "Welt am Sonntag"
nicht nur eingeschüchtert, sondern dies in seinem Auftritt im
Fernsehen auch noch verharmlost. Und er folgte dem selben Muster wie
beim Bild-Chef: Intervention beim Chefredakteur, Intervention beim
Vorstandschef und der Versuch, über die Kanzlerin an die Handy-Nummer
von Friede Springer zu kommen. Es ist schier unglaublich. Unglaublich
unsouverän.

Es zeigt sich: Wulff wähnt sich in einem Krieg mit den
Journalisten, er sieht sich ohne mit der Wimper auch nur zu zucken in
diesem Krieg als Opfer. Und er ist bereit, sich einzumauern. Ernst
Jünger im Schützengraben im Ersten Weltkrieg, dieses Bild bemüht der
Bundespräsident, um seinen Bediensteten zu erläutern, um was es aus
seiner Sicht geht. Hätte Angela Merkel gewusst von den kostenlosen
Urlaubsflügen zu den Ferienvillen von Wirtschaftsführern, für deren
Belange er sich vehement eingesetzt hatte (Versicherungen), von den
Flugzeug-Höherstufungen und so weiter: Sie hätte Christian Wulff nie
als Bundespräsident vorschlagen dürfen, sie, die ein klares Gefühl
hat, was in puncto Vorteilsnahme geht und was nicht.

Was man Merkel vorwerfen muss, ist daher von anderem Kaliber: Sie
hat das Amt für sich abgehakt. Hauptsache, es funktioniert und macht
keinen Ärger. Was man ihr vorwerfen kann, ist, dass sie sich in Wulff
getäuscht hat. Heute ist sie mit Sicherheit klüger.

Fazit: SPD-Chef Gabriel bietet Merkel eine gemeinsame Lösung an.
Natürlich ist das nicht frei von Taktik. Gleichwohl: Sie sollte
annehmen. Als Chance für das Amt.



Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 - 804 6519
zentralredaktion@waz.de


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