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Massive Zweifel an der Zukunftsfähigkeit des Gesundheitswesens

Geschrieben am 23-11-2011

Wiesloch/Berlin (ots) -

- Pflegenotstand befürchtet: 77 Prozent misstrauen gesetzlicher
Absicherung - 82 Prozent fordern: die Politik muss mehr tun

- Fast zwei Drittel der Ärzte sehen schon heute einen Ärztemangel -
Bürger vor allem in strukturschwachen Regionen betroffen

- Düstere Zukunftserwartungen: Nur 16 Prozent sind überzeugt, dass
die heutige Versorgung aufrecht erhalten werden kann - 79 Prozent
rechnen mit einer zunehmenden Zwei-Klassen-Medizin

Bevölkerung und Ärzte befürchten einen Pflegenotstand in
Deutschland und werfen der Politik Tatenlosigkeit vor. Gleichzeitig
sehen vor allem Ärzte einen zunehmenden Ärztemangel, insbesondere in
den östlichen Bundesländern berichten Patienten bereits von einer
eingeschränkten Versorgung. Insgesamt bewerten die Deutschen das
heutige Gesundheitssystem positiv - allerdings mit deutlichen
regionalen Unterschieden: Am zufriedensten sind die Menschen in
Sachsen und Berlin, Schlusslichter sind Mecklenburg-Vorpommern und
Thüringen, wo der Ärztemangel bereits deutlich spürbar ist. Für die
künftige Entwicklung sind Bevölkerung und Ärzte pessimistisch und
rechnen mit zunehmenden Einschnitten. Bereits heute muss mehr als ein
Drittel der Ärzte aus Kostengründen Behandlungen zumindest
gelegentlich verschieben. Dies sind einige Kernergebnisse des 6. MLP
Gesundheitsreports. Die repräsentative Studie im Auftrag des Finanz-
und Vermögensberaters MLP hat das Institut für Demoskopie Allensbach
mit Unterstützung der Bundesärztekammer erstellt.

Politik unternimmt zu wenig gegen befürchteten Pflegenotstand

Bevölkerung und Ärzte befürchten einen Pflegenotstand: Mehr als
jeder Zweite sorgt sich über seine finanzielle Absicherung im
Pflegefall. Auch das Vertrauen in die gesetzliche Pflegeversicherung
ist deutlich zurückgegangen: Mehr als drei Viertel fürchten
inzwischen, dass die Leistungen zur Sicherstellung einer guten Pflege
nicht ausreichen (2010: 64 Prozent). Bei den Ärzten herrscht mit 80
Prozent sogar eine noch größere Sorge. Entsprechend negativ urteilen
sie über die Politik: Diese müsse mehr für das Thema Pflege tun,
fordern 82 Prozent der Ärzte und Bürger. Große Teile der Ärzte (46
Prozent) und der Bevölkerung (43 Prozent) sind allerdings skeptisch,
ob es der Politik überhaupt gelingen kann, eine gute Versorgung für
alle Pflegebedürftigen sicherzustellen. "Die Politik hat jetzt zwar
jüngst den Einstieg in eine kapitalgedeckte Zusatzabsicherung
beschlossen", sagt Dr. Uwe Schroeder-Wildberg, Vorstandsvorsitzender
bei MLP. "Dies ist zwar ein richtiger Schritt, reicht aber noch nicht
aus. Auch die Bürger hätten eine Pflegereform unterstützt, mit der
die Herausforderungen an der Wurzel gepackt werden - das zeigt der
MLP Gesundheitsreport eindeutig." Vor die Wahl gestellt, spricht sich
eine Bevölkerungsmehrheit von 43 Prozent für eine verpflichtende
Zusatzversicherung aus, lediglich 15 Prozent für eine Erhöhung der
Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung. Noch eindeutiger ist
das Bild bei den Ärzten: 72 Prozent plädieren für eine verpflichtende
Pflegezusatzversicherung.

Sorgen über Ärztemangel sind deutlich gestiegen

Vor allem die Ärzte stellen zunehmend einen Ärztemangel fest:
Schon heute sehen fast zwei Drittel (2010: 46 Prozent) ein Problem
darin; weitere 23 Prozent rechen künftig damit. Die Ergebnisse zeigen
zudem einen deutlichen Ost-West-Unterschied: In Ostdeutschland
sprechen 69 Prozent von einem Ärztemangel in ihrer Region, im Westen
sind es nur 47 Prozent. Deutlich weniger als die Ärzte spürt bisher
die Bevölkerung den Ärztemangel (13 Prozent), rund jeder Fünfte
rechnet aber damit. Bundesweit besonders betroffen sind die Menschen
in strukturschwächeren Regionen mit weniger als 25.000 Einwohnern: 20
Prozent spüren bereits einen Ärztemangel, 29 Prozent rechnen damit.

Wie bereits bei der Pflege zeigt sich eine große Unzufriedenheit
mit der Politik. Insgesamt haben Ärzte mit 72 Prozent (2010: 73
Prozent) weiterhin keinen guten Eindruck von der Gesundheitspolitik
der Bundesregierung; in der Bevölkerung sind es 55 Prozent (2010: 61
Prozent). Eine deutliche Ärztemehrheit von 70 Prozent vertritt die
Meinung, dass der Gesetzgeber den Ärztemangel und seine Auswirkungen
unterschätzt - trotz des jüngst auf den Weg gebrachten
Versorgungsstrukturgesetzes. Die meisten Eckpunkte, die das Gesetz
vorsieht, werden allerdings begrüßt. Beispielsweise unterstützen 95
Prozent der Ärzte Maßnahmen zur verbesserten Vereinbarkeit von
Familie und Beruf. Weitere 90 Prozent befürworten finanzielle
Anreize, sich mit Kollegen einen Versorgungsauftrag auf dem Lande zu
teilen.

Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Frank Ulrich
Montgomery, sieht die Regierung mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz
grundsätzlich auf dem richtigen Weg: "Das Gesetz soll dazu beitragen,
dass die Patientinnen und Patienten auch künftig einen Arzt in ihrer
Nähe finden. Bei aller Kritik an einzelnen Vorgaben sind das
grundsätzlich richtige Schritte." Mittel- und langfristig seien aber
weitere Maßnahmen notwendig, um das Gesundheitssystem zukunftsfest zu
machen. "Wir müssen darüber diskutieren, wie wir angesichts
begrenzter Finanzen, Kapazitäten und Zeitressourcen allen
Patientinnen und Patienten auf Dauer die notwendige Behandlung
anbieten können. Deshalb haben wir die Priorisierungsdebatte
angestoßen und setzen diese auch konsequent fort." Unbestritten sei,
dass sich der medizinische Fortschritt unter den gegenwärtigen
finanziellen Rahmenbedingungen zukünftig nicht mehr in den Praxen und
Kliniken abbilden lasse - erst recht nicht in einer Gesellschaft des
langen Lebens. "Wenn die finanziellen Mittel nicht dem
Versorgungsbedarf angepasst werden, dann muss die Politik sich über
kurz oder lang der Priorisierungsdebatte stellen", sagt Montgomery.

Positives Urteil zur aktuellen Gesundheitsversorgung

Insgesamt ist die Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem und der
aktuellen Gesundheitsversorgung in den letzten Jahren wieder
gewachsen. 72 Prozent der Bevölkerung und 88 Prozent der Ärzte
urteilen "gut" oder "sehr gut". Eine Bevölkerungsmehrheit von 59
Prozent hat in den vergangenen zwei, drei Jahren gleichbleibende
Erfahrungen mit der ärztlichen Versorgung gemacht (2010: 56 Prozent).
Zugleich sind die Sorgen, im Krankheitsfall auf eine notwendige
Behandlung verzichten zu müssen, geringer als in den Vorjahren - aber
mit 32 Prozent immer noch weit verbreitet. Bei den Ärzten sehen mehr
als zwei Drittel ihre Therapiefreiheit aus Kostengründen in Frage
gestellt (2010: 72 Prozent). Verbreitet sind Verschiebungen aus
Budgetgründen: 59 Prozent der Ärzte mussten schon einmal Behandlungen
auf einen späteren Zeitraum verlegen, bei 16 Prozent ist dies sogar
häufig der Fall. Auf einen Termin länger warten mussten in den
letzten zwei, drei Jahren bereits 20 Prozent der Patienten - bei den
privat Versicherten waren es 9 Prozent. Zugleich bestätigen 72
Prozent der Ärzte aus eigener Erfahrung, dass sie in ihrer Praxis
häufig Patienten empfangen, bei denen ein Arztbesuch aus
medizinischer Sicht nicht notwendig ist.

In Thüringen ist der Ärztemangel besonders spürbar

In Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen herrscht im bundesweiten
Vergleich die geringste Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem und
der Gesundheitsversorgung. Die Thüringer nehmen den Ärztemangel auch
bereits am deutlichsten wahr (43 Prozent), am wenigsten die
Saarländer (2 Prozent). Gleichzeitig beklagen in Thüringen auch die
meisten Patienten längere Wartezeiten in den letzten zwei, drei
Jahren - sowohl bei der Terminvergabe (35 Prozent) als auch trotz
Termins im Wartezimmer (36 Prozent). In Berlin mussten die Wenigsten
auf einen Termin länger warten (12 Prozent). Auch die Sorgen, im
Krankheitsfall aus Kostengründen nicht die notwendige Behandlung zu
erhalten, sind in Thüringen (58 Prozent) besonders ausgeprägt; in
Rheinland-Pfalz (16 Prozent) zeigen sich die Wenigsten besorgt. Die
kompletten Länder-Übersichten sind als Schaubild unter
www.mlp-gesundheitsreport.de zu finden.

Düstere Zukunftserwartungen und geringe Reformbereitschaft

Die Entwicklung in den nächsten zehn Jahren schätzt die
Bevölkerung nach wie vor sehr pessimistisch ein. Gerade einmal 16
Prozent sind davon überzeugt, dass die heutige Versorgung für alle
Bevölkerungsschichten aufrecht erhalten werden kann. Die große
Mehrheit rechnet hingegen mit zusätzlichen Belastungen und
Einschränkungen: 79 Prozent erwarten steigende Kassenbeiträge, 78
Prozent höhere Zuzahlungen für Medikamente. Dabei werde es auch immer
mehr zu einer "Zwei-Klassen-Medizin" kommen (79 Prozent). Außerdem
erwarten zahlreiche Bürger, dass der demografische Wandel das
Gesundheitssystem zunehmend belastet: 61 Prozent rechnen mit volleren
Arztpraxen und Problemen, einen Termin zu erhalten. 51 Prozent gehen
sogar davon aus, dass teure Behandlungen bei älteren Menschen aus
Kostengründen nicht mehr durchgeführt werden.

Vor dem Hintergrund einer alternden Gesellschaft zeigt sich bei
den Ärzten ein ähnliches Meinungsbild: Eine breite Mehrheit sieht das
Gesundheitssystem nach wie vor unzureichend auf die demografischen
Herausforderungen vorbereitet. 86 Prozent der Ärzte halten weitere
grundlegende Reformen daher für notwendig. In der Bevölkerung geben
rund drei Viertel an, dass Reformen unabdingbar sind. Trotz dieser
Einsicht lehnt die Bevölkerung einschneidende Reformschritte
mehrheitlich ab: Eine Erhöhung der Kassenbeiträge halten 89 Prozent
für nicht zumutbar (2010: 87 Prozent), Einschränkungen bei der freien
Arztwahl weisen 87 Prozent zurück (2010: 85 Prozent). Eine große
Bevölkerungsmehrheit (82 Prozent) ist sich zwar bewusst, dass man
selbst zur Erhaltung der Gesundheit viel oder sehr viel beitragen
kann. Die Befragungsergebnisse zeigen aber auch, dass die
Gesundheitsorientierung in den vergangenen Jahren nicht zugenommen
hat: Seit 2005 gibt nur rund ein Drittel an, sehr auf die eigene
Gesundheit zu achten.

Der MLP Gesundheitsreport ist eine repräsentative Umfrage unter
rund 1.800 Bundesbürgern und mehr als 500 Ärzten. Erstmals wurden in
diesem Jahr die Kernfragen zur Bewertung der Gesundheitsversorgung
nach Bundesländern erhoben. Weitere Details sowie eine
Bestellmöglichkeit des Reports unter www.mlp-gesundheitsreport.de.



Pressekontakt:
Frank Heinemann
Tel +49 (0) 6222 - 308-3513
Fax +49 (0) 6222 - 308-1131
frank.heinemann@mlp.de


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