(Registrieren)

DER STANDARD-KOMMENTAR "Papandreou, der Getriebene" von Thomas Mayer

Geschrieben am 03-11-2011

Der Premier hat hoch gepokert, geblufft und das Vertrauen der
Partner verloren - Ausgabe vom 4.11.2011

Wien (ots) - Da soll sich noch einer auskennen: Eben erst war
Giorgos Papandreou zur Geisterstunde von Cannes abgereist, wo er den
Euro-Partnern Nicolas Sarkozy und Angela Merkel stundenlang erklärt
hatte, warum ein Referendum über das milliardenschwere Hilfspaket -
die direkte Einbindung der Bevölkerung in die Entscheidungsfindung -
absolut unabdingbar wären.
Keine sechzehn Stunden später erreichte den fassungslosen
französischen Staatspräsidenten und die deutsche Kanzlerin aus Athen
beim G-20-Gipfel die Nachricht, dass der griechische Premierminister
das Referendum wieder abgeblasen habe. Was ist also passiert zwischen
Mitternacht und seiner Erklärung, er sei plötzlich doch bereit, über
eine "nationale Übergangsregierung" zu verhandeln?
Eine solche war von der konservativen Opposition vor Monaten bei der
Verabschiedung des ersten beinharten Spar- und Hilfsprogramms für
Griechenland verlangt worden. Aber der Pasok-Chef schlug das damals
aus, bildete später seine Regierung in den Schlüsselpositionen
Finanzen und Außenpolitik um, um seine eigene Partei ruhigzustellen -
und allein an der Macht bleiben zu können. Nun versagte ihm aber die
eigene Partei die Gefolgschaft für ein Referendum.
Dieser Begriff Übergangsregierung kann wohl nur eines bedeuten: Ein
solches Kabinett wird nicht stark und mutig sein, aber in absehbarer
Zeit wird es zu Neuwahlen kommen. Ab sofort ist in Griechenland also
nationaler Notstand, brutale Sanierung und Wahlkampf zugleich
angesagt: keine guten Voraussetzungen, um auf Märkten und bei den
Partnern in EU (und viel mehr noch in der Eurozone) automatisch mehr
Vertrauen zu erwecken.
Genau das aber - Vertrauen, Berechenbarkeit und Glaubwürdigkeit -
wäre im Moment die wichtigste Währung, die Griechenland brauchen
würde. Papandreou, dessen Mut zu Reformen in Europa lange bewundert,
von den Griechen bekämpft worden ist, hat in den vergangenen Monaten
aber (leider) viel getan, um jeden "Kredit" für ihn zu erschüttern.
Ein Beispiel: Als die Experten der "Troika" von EU, Zentralbank und
Währungsfonds im Herbst nach Athen reisten, um nachzuschauen, wie es
um die Umsetzung der Reformmaßnahmen stehe (eine Voraussetzung für
die Auszahlung weiterer Hilfsmilliarden), wurden sie vor den Kopf
gestoßen. Die Arbeiten waren unerledigt, Papiere nicht fertig. Damals
schon kamen ernste Zweifel auf, dass Papandreou ein gefährliches
Doppelspiel spiele.
Sein größter Fehler war es jedoch, beim Beschluss des dritten
Monsterprogramms beim Euro-Gipfel vor einer Woche die
Regierungschefkollegen nicht in seine Referendumspläne einzuweihen:
Seither glauben ihm Merkel, Sarkozy und Co nichts mehr.
Das aber kann sich Griechenland nicht leisten: Das Land braucht
dringend Geld, in spätestens vier Wochen. Damit Europartner und IWF
ihre Milliarden überweisen können, brauchen sie aber funktionierende
Entscheidungsstrukturen in Athen. Ein Teufelskreis, für den
Papandreou, der Getriebene, letztverantwortlich ist.
Er hat zu lange zu hoch gepokert. Das geht in der Euro-Gemeinschaft
nicht mehr - und das ist auch die wichtigste Konsequenz der Krise
seit zwei Jahren. Und: Wenn das Euro-Schiff in Schieflage gerät,
bestimmt plötzlich Euro-Großmachtpolitik das Geschehen. Das mag nötig
sein, ist aber dennoch ein Rückschritt in der Union.

Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70 DW 445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

361504

weitere Artikel:
  • Märkische Oderzeitung: Märkische Oderzeitung Frankfurt (Oder) zu Cannes und Griechenland: Frankfurt/Oder (ots) - Was die Klarheit anbelangt, bedurfte es in Cannes der Ansprache von "Merkozy" - von Merkel und Sarkozy. Zur Abstimmung steht nämlich nur vordergründig das Rettungspaket, im Kern geht es um den Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone, ja, in der EU selbst. Darüber sind nun auch die Griechen erschrocken. Ein Schreck, der hoffentlich die Athener Blockaden löst. Mit der neuerlichen Wendung hat Papandreou aber alle Reputation verspielt. +++ Pressekontakt: Märkische Oderzeitung CvD Telefon: 0335/5530 563 mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zu Unwetterschäden in Sachsen-Anhalt Halle (ots) - Angesichts der Probleme in den Unwetterregionen wäre es allerdings fatal, zur Tagesordnung überzugehen, nur weil kein alleiniger Schuldiger zu finden ist, auf den jeder mit dem Finger zeigen kann. Dazu sind die Sorgen zu schnell existenziell. Dass Handwerker in echte Schwierigkeiten geraten, weil Zahlungen ausbleiben, ist jedenfalls nicht hinnehmbar. Das nächste Unwetter ist nur eine Frage der Zeit. Zeit, die alle Beteiligten dringend nutzen sollten, um sich an einen Tisch zu setzen und über Regeln zu reden, die das mehr...

  • Westdeutsche Zeitung: Griechenland = von Wolfgang Radau Düsseldorf (ots) - Griechenlands Premier Papandreou sagt also die Volksbefragung ab, mit deren Ankündigung er sein Land und die Währungsunion in eine neue schwere Krise gestürzt hatte. Was nun kommt, wird eine Große Koalition von Experten sein, mit einem ehemaligen Vize der Europäischen Zentralbank an der Spitze. Auch wenn Papandreou das noch nicht einsehen will: Er hat sich unmöglich gemacht mit seinem inakzeptablen Versuch, einerseits Abermilliarden an Hilfe entgegenzunehmen, andererseits aber abstimmen zu lassen, ob die Sparauflagen mehr...

  • Lübecker Nachrichten: Datenschutz-Skandal in Schleswig-Holstein Lübeck (ots) - Ein neuer Datenschutz-Skandal erschüttert Schleswig-Holstein. Tausende hochsensible Patientendaten psychisch schwer kranker Menschen aus Schleswig-Holstein sind offenbar monatelang frei im Internet abrufbar gewesen, berichten die Lübecker Nachrichten (Freitagsausgabe). Behörden- und Klinikbriefe, medizinische Befunde und psychologische Dokumentationen konnten sogar heruntergeladen werden. Auslöser ist eine Sicherheitslücke bei einem Internetdienstleister in Rendsburg, der Datenbanken für insgesamt fünf soziale Dienste mehr...

  • Südwest Presse: Kommentar zu Griechenland Ulm (ots) - Giorgos Papandreou hat hoch gepokert - und verloren. Angela Merkel und Nicolas Sarkozy ließen sich von seinem Bluff nicht beeindrucken. Sie machten ihm unmissverständlich klar: Solange die politischen Verhältnisse in Athen nicht geklärt sind und die Griechen nicht das geschnürte Rettungspaket annehmen, gibt es keine weiteren Hilfskredite. Das gestrige Krisentreffen der Euro-Mitglieder Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien fand ausdrücklich ohne Beteiligung Griechenlands statt. Der griechische Premier kehrte als mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht