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Börsen-Zeitung: Die Zombie-Steuer, Kommentar zu der von der EU-Kommission vorgeschlagenen Finanztransaktionssteuer, von Dieter Kuckelkorn.

Geschrieben am 28-09-2011

Frankfurt (ots) - Es gibt politische Konzepte, die haben etwas von
Zombies. Eigentlich sind sie längst tot. Sie verlassen aber
regelmäßig ihr Grab, um die Lebenden heimzusuchen. Eines dieser
Konzepte ist die Finanztransaktionssteuer, die nun in Gestalt eines
konkreten Vorschlags der EU-Kommission wieder unter uns weilt.

Damit kein Missverständnis aufkommt: Grundsätzlich lassen sich
einer solchen Steuer positive Aspekte abgewinnen. Die EU-Staaten
haben die Banken im Rahmen der Finanzkrise mit der astronomisch hohen
Summe von 4,6 Bill. Euro gestützt, wobei sich eine neue Runde von
Hilfen für Europas angeschlagene Finanzindustrie längst klar
abzeichnet. Angesichts dieser Perspektive wäre es durchaus
angemessen, wenn die Gesellschaft die Branche in Regress nehmen
würde. Und wenn man den Berechnungen der EU-Kommission Glauben
schenken kann, wären die Einnahmen mit europaweit 55 Mrd. Euro pro
Jahr beträchtlich.

Es stellt sich allerdings die Frage, ob die
Finanztransaktionssteuer wirklich ein geeignetes Instrument ist, um
die Banken zur Kasse zu bitten, und ob mit ihrer Einführung nicht
sogar erhebliche negative Effekte verbunden wären. Es ist jedenfalls
nicht zu erwarten, dass Banken und andere institutionelle Investoren
auf der Steuer sitzen bleiben - entweder werden sie sich der Steuer
durch Flucht an auswärtige Handelsplätze entziehen, oder sie werden
die Abgabe schlicht auf ihre Kunden abwälzen. Damit würden wieder
einmal andere die Zeche zahlen.

Es gibt aber noch einen weiteren Aspekt, der sehr viel kritischer
ist. Erfahrungen mit der Finanztransaktionssteuer in Schweden haben
gezeigt, dass die Handelsvolumina an den besteuerten Finanzmärkten
drastisch zurückgehen. Im Klartext heißt dies, dass dem Markt in
erheblichem Umfang Liquidität verloren gehen könnte, was insbesondere
in Zeiten von Krisen wie der aktuellen zu noch dramatischeren
Abstürzen und Spread-Ausweitungen führen würde. Das Beispiel Schweden
demonstriert ferner, dass die Schätzungen der Einnahmen meist viel zu
hoch ausfallen. In Schweden wurden pro Jahr nur 50 bis 80 Mill. skr
statt der erwarteten 1,5 Bill. skr erzielt.

Somit wäre es zweifellos besser, direkt die Gewinne der Banken zu
besteuern, was aber angesichts einer enormen Kapitalknappheit der
Institute derzeit kaum zu realisieren ist. Zu einer europaweiten
Finanztransaktionssteuer wird es aber auch nicht kommen. Dafür wird
schon der beharrliche Widerstand Großbritanniens sorgen.

(Börsen-Zeitung, 29.9.2011)



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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