(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel der Mittelbayerischen Zeitung Regensburg zur Balkanpolitik der Bundesregierung

Geschrieben am 30-08-2011

Regensburg (ots) - Neue Kraftmeierei

Mit ihrer Balkan-Politik macht

die Bundesregierung keine gute Figur.

Europa schimpft über Angela Merkels Euro-Krisenmanagement, die
Welt schüttelt den Kopf über Deutschlands Haltung im Libyen-Konflikt,
und Barack Obama fliegt bei seinem großen Europa-Besuch über Berlin
einfach hinweg: Die schwarz-gelbe Regierung steht außenpolitisch
nicht gut da. Da trifft es sich, dass es noch einen Balkan gibt. Wenn
man es in der großen Arena nicht schafft, kann man immer noch auf dem
kleinen Parcours Stärke zeigen. Aber auch im Hinterhof machen die
Deutschen keine gute Figur. Mit ihrem Auftreten in Belgrad vorige
Woche hat die Kanzlerin sich in der Osterweiterung eigenmächtig den
Hut aufgesetzt und dem andrängenden Serbien eine zusätzliche
Bedingung diktiert. Wie Deutschland mit der angemaßten Rolle fertig
werden will, ist völlig ungewiss. Nur der Kollateralschaden tritt
klar zutage: Merkel hat unter den EU-Staaten provoziert. Bevor es
weitergeht mit Serbiens Annäherung an die Gemeinschaft, soll Belgrad
erst einmal seinen Einfluss im serbischen Norden des Kosovo aufgeben,
verlangte Merkel von Präsident Boris Tadic. Tadic hat das abgelehnt -
sofort und dann noch einmal, vor wenigen Tagen, in aller Klarheit vor
der serbischen Öffentlichkeit. Damit steht es patt. Belgrad hatte
sich ausgerechnet, im Herbst sowohl den Kandidatenstatus als auch
einen Termin für den Beginn von Beitrittsverhandlungen zu bekommen.
Das mit den Verhandlungen ist jetzt Illusion. Nun lobbyiert Belgrad
in den anderen europäischen Hauptstädten, damit es noch zum
Kandidatenstatus reicht. Das Motiv der Merkel-Forderung ist
ehrenwert. Belgrad pokert auf die Teilung des Kosovo. Das wäre eine
schlechte Lösung, denn sie wäre ein Präzedenzfall und würde etliche
wacklige Grenzen auf dem Balkan noch wackliger machen. Es stimmt
auch, dass im Norden des Kosovo Schmuggel und organisiertes
Verbrechen regieren, ein Zustand, der so nicht bleiben kann. Wenn
aber Belgrad seinen Einfluss dort einfach aufgibt, wird nichts
besser. Die EU-Rechtsstaatsmission Eulex ist nicht in der Lage, das
Vakuum zu füllen. Nur die kosovarische Regierung würde lieber heute
als morgen in den Norden einmarschieren. Das wäre allerdings ein
Debakel. Die Behörden können hier gar nicht für Ruhe und Ordnung
sorgen - ganz abgesehen davon, dass es mit ihrer eigenen moralischen
Kraft, einen Sumpf von Korruption auszutrocknen, auch nicht eben zum
Besten steht. Auf die Dauer gibt es zur Integration des Nordens in
den neuen Staat keine Alternative. Mit Gewalt aber wird das nicht
funktionieren. Merkel hat in Belgrad sibyllinisch gesagt, "man" müsse
"alles tun, um einseitige Schritte einer Seite zu verhindern"- ein
kleiner Hieb auf die Regierung in Pristina, die im Juli ihre
Spezialpolizei in den Norden schickte. Ein klarer Ausschluss von
Gewalt aber war das nicht. Mit Ergebnissen bei den praktischen
Verhandlungen zwischen Belgrad und Pristina, schloss Merkel nämlich
an, würde "die Gefahr einseitiger Maßnahmen geringer". Das kann auch
heißen: "Wenn ihr Serben in den Verhandlungen nicht mehr nachgebt,
darf Pristina wieder seine Spezialpolizei schicken." Das Resultat
wären Flüchtlingskolonnen wie zuletzt vor zwölf Jahren. Berlin wird
dafür die Verantwortung übernehmen müssen. Der Balkan mag
weltpolitisch weniger bedeutend sein als die arabischen Länder.
Blamieren kann man sich hier aber genauso gut. Der Kanzlerin ist die
Region persönlich fremd. Architekten ihrer neuen Politik sind, wie
man hört, zwei kluge Leute: ihr Berater Christoph Heusgen und die
neue Staatssekretärin im Auswärtigen Amt, Emily Haber. Beide sind
lernfähig. Heusgen hat sich im Winter mit einer gründlich
gescheiterten Bosnien-Initiative die Hörner abgestoßen. Haber hat
über Kaiser Wilhelms verheerende Kanonenbootpolitik promoviert.
Erfolgreich war das Kaiserreich nur einmal: als Bismarck auf dem
Balkan den "ehrlichen Makler" gab.

von Norbert Mappes-Niediek



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

349529

weitere Artikel:
  • Märkische Oderzeitung: Kommentarauszug zum steigenden Anteil von Öko-Energie Frankfurt/Oder (ots) - Jede fünfte Kilowattstunde in Deutschland stammt bereits aus erneuerbarer Energie - im Nordosten ist es sogar jede zweite. Das klingt so, als gehe es mit der Energiewende ganz von allein voran. Doch das ist ein Trugschluss. Die Netze sind weithin an der Grenze der Aufnahmefähigkeit. Die bald anfallende Menge regenerativ erzeugter Energie können sie nicht aufnehmen. Immer neue Windräder und Solarmodule kosten zwar viel Geld, nützen aber wenig, wenn sie wegen Netzüberlastung häufig abgeklemmt werden müssen. Und mehr...

  • Rheinische Post: Gespenst Gaddafi Düsseldorf (ots) - Droht um die nach Algerien geflüchtete Gaddafi-Familie ein neuer Konflikt? Der Rebellenrat schäumt vor Wut; Algier hat die Grenze zu Libyen geschlossen. Das Verhältnis der Nachbarn, die eine lange Geschichte verbindet, war bereits vorher stark angespannt: Algerien steht als einer der letzten Staaten offiziell noch hinter Gaddafi. Doch auch die Algerier wissen, dass er verloren hat - das beweist nicht zuletzt die Flucht der Familie. So wird auch Algier letztlich die Realität anerkennen und Kontakte zu den Rebellen mehr...

  • Rheinische Post: Nicht alles ist Gold Düsseldorf (ots) - Ursula von der Leyen hat sich aus finanzpolitischen Debatten bisher herausgehalten, denn davon versteht sie nicht viel. Nun aber wagt sich die stellvertretende CDU-Vorsitzende ins heikle Terrain. Ihre Forderung, die Griechen sollten als Sicherheit für Notkredite ihre Goldreserven bieten, bedient die Sehnsucht vieler in ihrer Partei nach mehr Gegenleistung bei der enorm teuren Euro-Rettung. Die Arbeitsministerin ist nicht die erste, die diesen Vorschlag macht, vor ihr taten dies auch schon namhafte Wirtschaftspolitiker mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Alkoholverbot im Nahverkehr Bielefeld (ots) - Niemand muss im Bus Bier trinken, niemand in der U-Bahn eine Party feiern. Und dennoch: Das jetzt ausgesprochene Alkoholverbot im Hamburger Nahverkehr ist ein weiterer kleiner Einschnitt in bürgerliche Freiheiten. Das Verhalten im öffentlichen Raum wird wieder ein Stück reglementiert, wie schon beim Thema Rauchverbot, wie schon beim Thema Videoüberwachung. Angesichts der steigenden Zahl gewalttätiger Übergriffe ist dies ein nachzuvollziehbarer Schritt. Nicht zuletzt hatte sich eine überwältigende Mehrheit der Fahrgäste mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zur Leichtathletik-WM Halle (ots) - Drei Medaillen, noch dazu zwei, die nicht in Wurfdisziplinen geholt worden sind - so etwas gibt es nun wirklich nicht alle Tage zu feiern für die olympische Kernsportart, die in Deutschland seit Jahren ein Schattendasein fristet. Dieses Schattendasein hat nämlich gar nicht so sehr mit fehlenden Leistungen zu tun. Gerade die Werfer sind und waren immer Weltspitze. Nur: Es bekommt kaum einer mit. Und das ist ein Indiz für fehlende Charaktere. Sport verkauft sich über Köpfe und Emotionen. Und davon gibt es neben Robert mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht