WAZ: Der britische Kontrollverlust. Leitartikel von Jasmin Fischer
Geschrieben am 11-08-2011 |
Essen (ots) - Apokalyptische Szenen in London, ein Königreich, das
tagelang in Anarchie versinkt - diese Bilder sind zutiefst
verstörend. Noch verwirrender ist indes das Lamento der Politiker,
die durch den Mob den englischen "Way of Life" gefährdet sehen - die
Liberalität, die urbritische Überzeugung, dass der Einzelne sich frei
von Maßregelungen verwirklichen soll.
Dabei ist es gerade der britische "Way of Life", der zum
kompletten Zusammenbruch der Ordnung beigetragen hat. Wer schockiert
ist, dass Jugendliche, die in England aufgewachsen sind, zu
brandschatzenden Brutalos werden, der muss seine legendäre Toleranz
besser justieren. Was das Land am Wochenende gesehen hat, ist ein
Kontrollverlust, der sich längst durch alle Teile des britischen
Lebens zieht. Mangelnde Impulskontrolle wird in England nicht etwa
Jugendlichen vorgeworfen, die sich trotz Rauchverbot im Bahnhof eine
Zigarette anstecken, sondern den wenigen Passanten, die den Mut
aufbringen, sie zurechtzuweisen. Die Öffentlichkeit, so der Konsens
auf der Insel, hat kein Recht, sich in das Verhalten Einzelner
einzumischen. Politisch korrekt ist Kritik allein im
parlamentarischen Ritual.
Wo Rügen verpönt sind, gedeiht aber Anarchie. An einem normalen
Samstagabend verwandelt sich fast jede englische Innenstadt zu einer
No-Go-Zone: Prügeleien, Menschen, die auf die Straße urinieren,
Saufgelage in der Öffentlichkeit. Die Normen des Akzeptablen haben
sich in England dramatisch verändert. Wann und warum, das muss das
Land selber analysieren. In Schulbüchern gibt es sie jedenfalls noch,
die Warteschlangen an Bushaltestellen. In der Realität muss man lange
danach suchen.
Schon in Schulen ist die laxe Attitüde Standard.
Nicht-konfrontativ soll das Lehrumfeld sein; ein Schulverweis ist oft
das einzige Mittel gegen Saboteure. Eltern, die es sich leisten
können, haben längst die Konsequenz gezogen: Privatschulen in England
boomen. Viele nehmen hohe Kredite auf, nur dass ihre Kinder aus dem
staatlichen System fliehen können. Aber klagen würden auch sie nicht
laut.
Fazit: Weil harte Durchgriffe nicht mehr recht zur modernen
Gesellschaft passen wollen, hat sich auch die Polizei angepasst. Es
ist kein Zufall, dass die Unruhen in Tottenham an der Zögerlichkeit
der Polizei eskaliert sind. Die Kontrolle hat die Gesellschaft nicht
am Samstag in Tottenham verloren, sondern schon vor langer Zeit.
Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
346874
weitere Artikel:
- Landeszeitung Lüneburg: Hunger ist Menschenwerk / Experte Benedikt Haerlin: Wenn wir in der Landwirtschaft umsteuern, macht die Erde uns noch lange satt Lüneburg (ots) - Am Horn von Afrika stirbt derzeit in manchen
Gebieten alle sechs Minuten ein Kind an Hunger. Millionen Menschen
sind bedroht, Zehntausende auf der Flucht. Kein Land ist dabei so
schlimm betroffen wie Somalia. Die Apokalypse in Ostafrika lässt
vergessen, dass weltweit mehr als eine Milliarde Menschen hungern.
Unnötig, meint Benedikt Haerlin, einer der Autoren des ersten
Weltagrarberichtes. Wenn der Tank nicht Vorrang bekäme vor dem Teller
und das Steak nicht vor dem Getreide, könnte die Erde noch mehr
Milliarden Menschen mehr...
- FT: Kommentar zu Steuerabkommen Flensburg (ots) - Im Falle der deutschen Steuerhinterzieher, die
ihr Vermögen illegal bei Schweizer Banken deponiert haben, begnügt
sich der Staat mit einer pauschalen Nachbesteuerung der Guthaben.
Im Gegenzug wird den Steuersündern Straffreiheit garantiert. Dabei -
so sind sich Steuerfahnder einig - wird mit der Nachzahlung nur
ein kleiner Teil des Schadens beglichen, der dem Staat durch die
Steuerhinterziehung entstanden ist. Die Bundesregierung selbst
bezeichnet das Abkommen als notwendigen Kompromiss, um endlich mit
der mehr...
- Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Syrien Bielefeld (ots) - Der syrische Diktator Baschar al-Assad wird
immer unverschämter: Erst beschimpft er die Aufständischen als
»terroristische Extremistengruppen«, dann vergleicht er sie mit den
Krawallmachern in England, und nun hat er auch noch den türkischen
Außenminister Ahmet Davutoglu beleidigt. Dieser hatte in Damaskus ein
Ende des Blutvergießens gefordert. Assad, so Davutoglu, könne wie
Gorbatschow als Reformer in die Geschichte eingehen, oder wie Saddam
Hussein am Galgen enden. Doch Assad ließ den Außenminister abblitzen:
»Wenn mehr...
- Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Jugendarbeitslosigkeit und den Unruhen in Großbritannien Bielefeld (ots) - Manchmal ist es gut und richtig, sich zu
erinnern. Vor ein paar Jahren hat Herbert Sommer, damals Präsident
der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen, gewarnt: »Wenn wir
jetzt nicht genug Ausbildungsplätze für unsere Jugendlichen
bereitstellen, stehen sie morgen auf der Straße. Und übermorgen
zünden sie im schlimmsten Fall sogar unsere Häuser an.« Die Warnung
Sommers und vieler anderer Unternehmer sowie Politiker hat mindestens
so weit gefruchtet, dass heute nur neun Prozent der Jugendlichen im
Alter zwischen mehr...
- Westdeutsche Zeitung: Die Webfehler des Bildungspakets =
von Vera Zischke Düsseldorf (ots) - Als das Bildungspaket vor fünf Monaten
eingeführt wurde, war es nicht nur ein Hoffnungsschimmer für arme
Familien. Es war auch ein positives Signal für alle, die
Sozialpolitik als schwerfällig und unpragmatisch erlebten. Als etwas,
das mit der realen Lebenssituation von Menschen nicht viel zu tun
hat.
Das Bildungspaket wirkte dagegen frisch, zupackend und aus dem
wirklichen Leben. Die Idee: Hartz-IV-Familien, die sich keine
Nachhilfe für ihr Kind leisten können, sollen ein Formular ausfüllen,
und schon gibt mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|