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Börsen-Zeitung: Glücksspiel in Washington, Marktkommentar von Dieter Kuckelkorn

Geschrieben am 15-07-2011

Frankfurt (ots) - Das Thema Schuldenkrise ist längst nicht mehr
auf Europa begrenzt. Auch die USA haben ihre Schuldenkrise, wenn auch
eine ganz anderer Art: Bis zum 2. August muss sich die
Obama-Administration mit den oppositionellen Republikanern auf eine
Erhöhung der Verschuldungsgrenze einigen, die derzeit 14,3 Bill.
Dollar beträgt. Erfolgt dies nicht, droht binnen weniger Tage die
Zahlungsunfähigkeit der einzigen Supermacht dieses Planeten.

Bis jetzt reagieren die Akteure an den Kapitalmärkten auf diese
Gefahr kaum. Dies lässt sich an den Spreads der
Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps, CDS) ablesen. CDS
auf Bundesanleihen sind mit Blick auf die EU-Schuldenkrise zuletzt
kräftiger gestiegen als Spreads auf US-Treasuries. Das spricht dafür,
dass die Investoren rund um den Globus die Sache immer noch sehr
gelassen sehen und nicht glauben, dass es wirklich zu einem
Kreditausfall der USA kommt.

In letzter Minute

Für eine Einigung in quasi letzter Minute spricht in der Tat
vieles. Allerdings gibt es auch Argumente, die dafür sprechen, dass
es doch zu dem gefürchteten Default kommt. So hat Präsident Barack
Obama mit Blick auf seine Umfragewerte wohl mehr zu fürchten, wenn er
sich der Opposition, die das Repräsentantenhaus beherrscht, beugt.
Auf Seiten der Republikaner sitzen Fundamentalisten an den
wichtigsten Schaltstellen, deren Kompromissbereitschaft nach
Einschätzung von Beobachtern nicht wesentlich stärker ausgeprägt ist
als diejenige der Taliban. Für diese führende Fraktion der
Republikaner hat sich der Kampf gegen Steuererhöhungen - und vor
allem für den Erhalt der von Präsident George W. Bush initiierten
Steuererleichterungen für Spitzenverdiener - längst zu einer Art
Glaubenskrieg entwickelt. Allerdings regt sich mittlerweile der
moderatere Flügel der Partei, sodass die Fundamentalisten vielleicht
innerparteilich zum Rückzug gezwungen werden.

Zwar handelt es sich im Fall der USA nicht um einen waschechten
Staatsbankrott, da das Land ja zahlen könnte, wenn denn seine
politische Klasse nur wollte. Dennoch wären die Folgen eines auch nur
kurzzeitigen Zahlungsausfalls gravierend - oder, um mit den Worten
von Fed-Chairman Ben Bernanke zu sprechen - "verhängnisvoll". Die
Ratingagenturen Moody's und Standard & Poor's haben auch bereits
versucht, dies den Verhandlungsführern in Washington nahezubringen,
indem sie ihnen in Aussicht stellten, dass sie gerade die
Rating-Bestnote "Aaa"/"AAA" ihres Landes verspielen. Und die Chinesen
als der mit Abstand bedeutendste Gläubiger haben ebenfalls schon ihre
Besorgnis sehr deutlich gemacht.

John Boehner, der Verhandlungsführer der Republikaner, scheint
sich immerhin des Ernstes der Lage bewusst zu sein. Er sagte am
Donnerstag: "Niemand will das, weil niemand weiß, was dann passiert.
Es ist ein Lotteriespiel." Der Mann hat recht. Niemand kann die
Folgen eines US-Defaults für die Märkte abschätzen, und zwar aus
folgendem Grund: So ist noch unbekannt, auf welche Auszahlungen die
US-Regierung den Schwerpunkt legen wird. Bernanke, der allerdings in
der Sache nichts zu entscheiden hat, hinterließ zuletzt den Eindruck,
dass die Inhaber von US-Staatsanleihen mit Vorrang bedient werden
sollen. Ob das mit Blick auf Renten-, Sozial- und Rüstungsausgaben
realistisch ist, sei dahingestellt. Noch im August soll es eine
Unterdeckung der Ausgaben durch die Steuereinnahmen von mindestens
134 Mrd. Dollar geben, wenn Zinsen und Tilgungen bedient werden.

Gefahr droht in dreierlei Hinsicht: Eine Einstellung der Zahlungen
durch das US-Schatzamt wird Banken und institutionelle Investoren
rund um den Globus rasch in Bedrängnis bringen, wobei es zu einem
Dominoeffekt kommen könnte, der weitere Institute und Anleger in den
Abgrund zieht. Zweitens dürfte der weitgehende Ausfall des
Wirtschaftsfaktors Staat die USA in die Rezession treiben. Der Streit
kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, weil das Wachstum in
den USA bereits deutlich nachgelassen hat. Die konjunkturellen Folgen
wären weltweit spürbar.

Steigende Kosten

Und drittens wäre auch lange nach einem solchen Ereignis nichts
mehr, wie es war. Dass die USA jemals wieder auf ein Triple-A-Rating
kämen und als Inbegriff (fast) risikoloser Anlagemöglichkeiten
gälten, ist undenkbar. Damit würden sich die Finanzierungskosten der
USA und sicher auch anderer Staaten deutlich erhöhen. Dass alles
spricht dafür, dass sich in Washington doch noch in allerletzter
Minute die Vernunft durchsetzt und dass ein Default vermieden wird.



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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