(Registrieren)

Deutsche Umwelthilfe: Totgeburt Datteln IV auch mit juristischen Winkelzügen nicht wiederzubeleben

Geschrieben am 30-05-2011

Berlin (ots) - Pressemitteilung

Appell an Regionalverband Ruhr, auf Änderung des Regionalplans zu
verzichten - RVR fällt rein politische Entscheidung ohne juristische
Notwendigkeit - Kment-Gutachten im Auftrag von Kraftwerksbauer E.on
mit paradoxem Ergebnis - DUH-Bundesgeschäftsführer Baake fordert,
Energiewendediskussion nicht mit "Rolle rückwärts in die Kohlezeit"
zu belasten

Die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) hat die politisch
Verantwortlichen in Nordrhein-Westfalen vor dem Versuch gewarnt, "dem
gerichtlich gestoppten E.on-Steinkohlekraftwerk Datteln IV mit
juristischen Winkelzügen und ohne rechtliche Notwendigkeit neues
Leben einzuhauchen". Sollte der Regionalverband Ruhr (RVR) am
morgigen Dienstag (31. Mai) tatsächlich beschließen, das schon
gescheiterte Kraftwerksprojekt über den Umweg einer rechtlich nicht
haltbaren Regionalplanänderung wiederzubeleben, wäre dies eine rein
politische Entscheidung. Der RVR sei in diesem Fall bereit, sich im
Interesse des Energiekonzerns E.on über das bestandskräftige, vom
Bundesverwaltungsgericht bestätigte Urteil des OVG Münster vom 3.
September 2009 hinwegzusetzen, das den gewählten Kraftwerksstandort
für rechtswidrig erklärt hatte.

Der Weiterbau des Steinkohleblocks mit 1.055 Megawatt Leistung und
einem CO2-Ausstoß von jährlich mehr als sechs Millionen Tonnen würde
zudem die Klimaschutzbemühungen der neuen Landesregierung ad absurdum
führen und NRW über Jahrzehnte einen kaum mehr abtragbaren, hohen
CO2-Sockel bescheren. "Es kann nicht sein, dass in Berlin um die
Beschleunigung der Energiewende gerungen wird und in derselben Woche
Nordrhein-Westfalen die Rolle rückwärts in die Kohlezeit einleitet -
jetzt allerdings nicht mit heimischer Steinkohle, sondern zum
Beispiel aus kolumbianischen Minen", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer
Rainer Baake. Er forderte die Vertreter des RVR eindringlich auf,
"die eben erst eingeleitete neue Klimaschutzpolitik in
Nordrhein-Westfalen nicht durch eine kurzsichtige Beschlussfassung
vor die Wand zu fahren". Dafür gebe es keinerlei rechtliche
Notwendigkeit. Klimaschutz dürfe nicht noch einmal den
Partikularinteressen von Unternehmen geopfert werden, die die Zeichen
der Zeit nicht erkennen wollen, so Baake.

Besonders ärgerlich sei, dass der RVR sein Votum auf ein zwar von
ihm veranlasstes, dann jedoch im Auftrag des E.on-Konzerns erstelltes
Rechtsgutachten stützen wolle. Das Gutachten von Dr. Martin Kment
kommt zu dem Ergebnis, eine nachträgliche Regionalplanänderung mit
dem Ziel, das E.on-Kraftwerk an dem Urteil des OVG Münster vorbei wie
geplant zu Ende bauen zu können, sei möglich. Es steht damit in
diametralem Gegensatz zu einem von der DUH bereits im Januar
veröffentlichten Rechtsgutachten des Dresdner Universitätsprofessors
Martin Schulte. Der Verwaltungsrechtler war in seiner Expertise zu
dem Ergebnis gekommen, dass die vom OVG Münster verworfene
Standortentscheidung und die geplante Befeuerung des
1.055-Megawatt-Blocks mit Importkohle gegen eindeutige Ziele der
Raumordnung verstoßen. Dies sei auch über ein
Zielabweichungsverfahren nicht heilbar.

Das Kment-Gutachten, auf das sich nun der RVR bei seinem weiteren
Vorgehen stützen will, sorgt unter Juristen nicht nur deshalb für
Kopfschütteln, weil es in Teilen der von den E.on-Juristen im
Verfahren vor dem OVG Münster vorgetragenen Argumentation folgt - die
dann von dem Gericht zurückgewiesen wurde -, sondern auch wegen
seiner inneren Widersprüchlichkeit. Einerseits argumentiert Kment,
bei dem Kraftwerksbau gebe es gar keinen Konflikt mit den
Zielvorgaben des geltenden Landesentwicklungsplans NRW, es seien
nämlich neben den dort ausdrücklich aufgeführten Kraftwerksstandorten
auch weitere zulässig und mithin auch die Standortabweichung in
Datteln, die in dem mittlerweile bestandskräftigen Urteil des OVG
Münster als rechtswidrig gewertet wurde. Andererseits empfiehlt Kment
dem RVR, zur Absicherung des Projekts einen Antrag auf Zielabweichung
zu stellen (also ein so genanntes "Zielabweichungsverfahren"
einzuleiten), um so den umstrittenen Kraftwerksneubau gerichtsfest zu
machen.

Martin Schulte nennt das Gesamtergebnis seines Kollegen Kment nach
einer ersten Analyse "paradox". Schulte: "Wenn die Standortabweichung
in Datteln nach Ansicht des Gutachters mit den Zielen des
Landesentwicklungsplans in Einklang steht, warum empfiehlt er dann
´gleichwohl ... vorsorglich´, ein Zielabweichungsverfahren
durchzuführen?" Diese Empfehlung lasse sich nur damit erklären, dass
Kment seiner Feststellung, die Standortabweichung in Datteln stehe
mit den Zielen des Landesentwicklungsplans in Einklang, nicht traue
oder sie nicht ernst nehme. Schultes Resümee: "Weder Herleitung noch
Ergebnis des Gutachtens sind zutreffend".

Aus Sicht der DUH ist auch die Berücksichtigung des Klimaschutzes
in dem Kment-Gutachten irritierend. Denn er errechnet einen positiven
Klimaschutzeffekt durch Datteln IV ausgerechnet auf Grundlage der
"Energie- und Klimaschutzstrategie NRW 2008", mit der die inzwischen
abgewählte CDU-FDP-Regierung seinerzeit den Neubau von
Kohlekraftwerken legitimieren wollte. Allerdings ist die versprochene
CO2-Minderung durch Kraftwerkserneuerungen nie eingetreten, weil die
im Gegenzug von den Stromkonzernen versprochene Abschaltung alter
Kraftwerke nicht oder verspätet erfolgte und insgesamt die
Kraftwerkskapazität erheblich ausgeweitet werden soll. "Der Gutachter
unterstellt auf Grundlage einer veralteten Klimaschutzstrategie, die
nie im Parlament verabschiedet wurde und inhaltlich längst
gescheitert ist, CO2-Einsparpotenziale durch den Kraftwerksneubau in
Datteln, die nicht einmal theoretisch realisiert werden können. Das
ist geradezu absurd", sagt Jürgen Quentin, der Leiter der Kampagne
gegen neue Kohlekraftwerke der DUH.



Pressekontakt:
Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin; Mobil: 015155016943, Tel.: 0302400867-0, E-Mail: baake@duh.de

Jürgen Quentin, Leiter Anti-Kohle-Kampagne, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin, Mobil: 0151 1456 3676, Tel.: 0302400867-95, E-Mail:
quentin@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik und Presse, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin; Mobil: 01715660577, Tel.: 0302400867-0, E-Mail:
rosenkranz@duh.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

334703

weitere Artikel:
  • LVZ: Seehofer: Energiewende von Schwarz-Gelb ist von ähnlichem Gewicht wie die rot-grüne "Agenda 2010" Leipzig (ots) - Mit dieser "gesellschaftspolitisch historischen Energiewende" der schwarz-gelben Bundesregierung habe die Regierungskoalition von Union und FDP ihre erste thematische Bestimmung gefunden, sagte Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer der "Leipziger Volkszeitung" (Dienstag-Ausgabe). Seehofer erinnerte in diesem Zusammenhang an die Reform des Arbeitsmarktes zu rot-grünen Regierungszeiten mit deren "Agenda 2010", bei der die Regierenden auch Korrekturen bisherigen Denkens statt Rechthaberei zugrunde gelegt mehr...

  • NABU: Schwarz-Gelbe Atom-Kehrtwende bleibt auf halbem Weg stecken / Regierung kürzt nicht Atomlaufzeiten, sondern bei den Alternativen Berlin (ots) - "Mit den Beschlüssen der schwarz-gelben Koalition vom Wochenende ist die Atom-Kehrtwende in Deutschland auf halben Wege stecken geblieben", kritisiert NABU-Präsident Olaf Tschimpke. "Nach all den Debatten landet diese Regierung nun ziemlich genau da, wo wir schon vor zehn Jahren waren, nämlich beim rot-grünen Ausstiegsszenario." Insofern könne von einer beschleunigten Energiewende keine Rede sein. Denn während der mehrfache GAU in Fuskushima immer noch nicht unter Kontrolle ist, hat sich die Bundesregierung lediglich mehr...

  • Atomausstieg bis 2022 ist kein Konsens mit den Umweltverbänden. Merkel stilisiert sich als "Mutter Theresa der Energiewende". Der versprochene schnellstmögliche Atomausstieg wurde vertagt Berlin (ots) - Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sieht in dem Kompromiss der Regierungsparteien für einen Atomausstieg bis 2022 keine akzeptable Antwort auf die Reaktorkatastrophe von Fukushima. Die Atomenergie sei ein tägliches, unverantwortbares Risiko für die Bevölkerung und könne viel schneller durch umweltfreundliche und sichere Alternativen ersetzt werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe nach Fukushima versprochen, aus der Atomkraft "so schnell wie möglich" auszusteigen. Dieses Versprechen breche sie mehr...

  • AOK-Pflegeheimnavigator fällt erneut durch / Sozialgericht Berlin nimmt neben der AOK auch die anderen Landesverbände der Pflegekassen in die Verantwortung Berlin (ots) - Seit etwa zwei Jahren sind die Ergebnisse der Qualitätsprüfungen von Pflegeeinrichtungen im Internet zu veröffentlichen. Dabei geben § 115 Absatz 1a SGB XI und die Pflegetransparenzvereinbarungen (PTV) die Art und Weise der Veröffentlichung verbindlich vor. Die AOK versah entgegen diesen Vorgaben die Veröffentlichung im Pflegeheimnavigator mit Warnhinweisen und einer Sortierung nach sogenannten Risikokriterien. "Offensichtlich rechtswidrig" - so lautete vor kurzem das Fazit des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen. mehr...

  • Kölner Stadt-Anzeiger: Scharfe SPD-Kritik am Atom-Ausstiegsbeschluss - Kelber: "wirtschaftspolitisch schwachsinnig und technisch nicht umsetzbar" Köln (ots) - Der von der Bundesregierung gefasste Beschluss zum Ausstieg aus der Atomenergie bis 2022 stößt in der SPD-Bundestagsfraktion auf massive Kritik. Die in der Nacht zum Montag vom Koalitionsausschuss vereinbarten Eckpunkte seien "wirtschaftspolitisch schwachsinnig und technisch nicht umsetzbar", sagte der für Umweltfragen zuständige Fraktionsvize Ulrich Kelber dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Dienstagsausgabe). "Ich empfehle meiner Fraktion und Partei, dem in vorliegender Form nicht zuzustimmen", so der SPD-Politiker. Das Konzept mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht