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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel Mittelbayerische Zeitung (Regensburg) zu Kanzlerin Angela Merkel

Geschrieben am 03-03-2011

Regensburg (ots) - Merkels Kardinalfehler

Die Plagiats-Affäre beschädigt auch die Kanzlerin. Sie hat
ausgerechnet die Konservativen verprellt.

Vorbei? Vergeben? Vergessen? Nein, so leicht kann Angela Merkel
die Verwerfungen durch die Plagiats-Affäre nicht hinter sich lassen.
Mit seinem Abgang von der Polit- Bühne hat Karl-Theodor zu Guttenberg
der Kanzlerin einen - wenn auch unfreiwilligen - Gefallen getan.
Durch seinen Rücktritt verhindert er nämlich, dass ausgerechnet er
selbst - der Superstar der Union - wegen seines erschummelten
Doktortitels zum Bremsklotz bei den kommenden Landtagswahlen wird.
Doch Merkel steht mit ihrem miserablen Krisenmanagement in der
Öffentlichkeit und in der Partei blamiert da. Und schlimmer noch: Sie
stößt die bürgerlichen und gebildeten Stammwähler der Union vor den
Kopf. Zu lange ließ die Kanzlerin die Causa Guttenberg laufen. Bis
zuletzt stand sie unerschütterlich hinter dem Verteidigungsminister.
Und der CSU-Politiker selbst erweckte noch am Tag vor seinem
Rücktritt den Eindruck, dass er sich fest im Sattel glaubt. Seine
180-Grad-Wende in der Nacht vor seinem Abgang lässt sich nur mit dem
drohenden Besuch der Staatsanwaltschaft erklären. Der politische
Senkrechtstarter betätigte den Schleudersitz. Dass Merkel die
Dynamik, die diese Affäre entwickeln würde, fatal unterschätzte, kann
man sogar nachvollziehen. Offenbar ließ sie sich von den
Ehr-Beteuerungen des Ministers so einlullen, dass sie ihr ansonsten
eiskalter politischer Instinkt verließ. Zaudern und zögern gehören im
Normalfall nicht zum Vokabular der Kanzlerin, wenn es um ihren
Machterhalt geht. Doch im Fall Guttenberg wurde ihr das
Krisenmanagement aufgezwungen. Für den Rückzug des Ministers
existierte kein Plan. Erst am Tag des Rücktritts, als Merkel bereits
überrumpelt war, erkämpfte sie sich das Heft des Handelns zurück. Mit
ihren Beileidsbezeugungen für den gefallenen Polit-Star schaffte sie
es zumindest, dass sie für das jähe politische Ende des Barons nicht
persönlich verantwortlich gemacht wird. Doch Merkels Kardinalfehler
wird ihr von vielen niemals verziehen werden. Ihre Aussage, sie habe
einen Verteidigungsminister und keinen wissenschaftlichen Assistenten
eingestellt, wird ewig als Makel an der Kanzlerin kleben. Damit
stellte sie Guttenberg nicht nur eine zweifelhafte Absolution aus.
Sie beging auch noch einen Affront gegen die versammelte
wissenschaftliche Elite des Landes und gegen das gebildete Bürgertum
- zwei Gruppen, für die die Erschleichung eines Doktortitels kein
Kavaliersdelikt ist. Mit dieser zweiten Instinktlosigkeit verprellt
Merkel die Konservativen, die sich vor der richtungsweisenden Wahl in
Baden-Württemberg gerade wieder um das eigene Lager scharten. Eine
Niederlage für die CDU im Südwesten würde Merkel deshalb persönlich
angelastet werden. Für Guttenberg besteht ein Teil der Tragödie
darin, dass er nun seine Bundeswehrreform nicht zu Ende bringen kann.
Das Projekt wäre der erste echte Prüfstein seiner politischen
Karriere geworden. Ein Erfolg hätte die Äquatortaufe auf dem Weg ins
Kanzleramt bedeutet. Für die CSU, die sich nach Guttenbergs Sturz im
Tal der Tränen wiederfindet, mag es ein schwacher Trost sein, dass
sich jetzt mit Thomas de Maizière ein CDU-Minister mit Horst Seehofer
um Kasernenschließungen streiten muss. Doch Guttenberg wäre nicht der
erste Politiker, dessen eigentlicher Aufstieg erst nach dem Fall
beginnt. Franz-Josef Strauß musste einst wegen der Spiegel-Affäre als
Verteidigungsminister zurücktreten, um dann nach einer Schamfrist als
König der CSU wiederzukehren. Schon 2013 könnte Guttenberg politisch
wiederauferstehen. Falls die Union vor den Wahlen im Bund und in
Bayern miserabel dasteht, werden ihn die Parteifreunde zum Comeback
drängen. Einem Zugpferd wie ihm vergibt man Sünden.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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