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BERLINER MORGENPOST: Zwei starke Frauen können gewinnen - Leitartikel

Geschrieben am 03-02-2011

Berlin (ots) - Es ist das übliche Ritual, wenn die Regierung mit
der Opposition um Lösungen für komplizierte Sachfragen ringen muss.
Wir hören Warnungen vor dem Scheitern. Es gibt Vorwürfe der Blockade
an die jeweils andere Seite ebenso wie Beteuerungen, doch nicht mehr
so weit auseinanderzuliegen. Nach einer dramatischen Nachtsitzung
werden sich Union und FDP mit SPD und Grünen auf eine Hartz-IV-Reform
einigen. So war es bisher immer im Vermittlungsausschuss. Viele haben
das bloß vergessen, weil es für längere Zeit eine Mehrheit der
Koalition auch im Bundesrat gab und eine Vermittlung nicht nötig war.
Für die rot-grüne Opposition, die - dank Rot-Grün in NRW - in der
Länderkammer nicht mehr einfach überstimmt werden kann, lohnt sich
der Einsatz bisher. Ihre Vorzeigefrau Manuela Schwesig hat sich
bundesweit als Gegenspielerin der beliebten CDU-Arbeitsministerin
Ursula von der Leyen profiliert. Auch wenn einige Kommentare hämisch
ausgefallen sind, so wird die blonde SPD-Vizechefin von nun an als
Mitspielerin in der politischen A-Liga wahrgenommen. Sie wird nicht
mit leeren Händen dastehen, wenn sie neben Frau von der Leyen die
Einigung verkündet. Denn es ist logisch, dass die Regierungskoalition
in einem Vermittlungsverfahren von ihren ursprünglichen Plänen
ablassen muss. Sonst hätte es ja des ganzen Aufwandes nicht bedurft.
Die SPD wird also Punkte sammeln in dieser Auseinandersetzung. Sie
setzt durch, dass nicht - wie von Ursula von der Leyen geplant - die
Jobcenter arme Kinder mit Nachhilfe, Sport oder Musikunterricht
versorgen, sondern die Kommunen, die dafür auch besser geeignet sind.
Sie wird erreichen, dass nicht nur die Kinder aus Hartz-IV-Familien
profitieren, sondern überhaupt Sprösslinge von Geringverdienern. Und
es sieht so aus, als ob künftig die Unternehmen Leiharbeiter ebenso
bezahlen müssen wie Stammbeschäftigte, wenn sie die gleiche Arbeit
verrichten. Das alles ist wichtig in der Praxis. Zum politischen
Symbol taugt es jedoch eher nicht. Ob die Menschen am Ende SPD und
Grünen den Sieg zuschreiben, hängt im Wesentlichen an der
Fünf-Euro-Frage. Bleibt es bei der bescheidenen Erhöhung des
Regelsatzes? Oder ist die Koalitionsseite bereit, noch etwas
draufzulegen für die 4,7 Millionen erwachsenen Hartz-IV-Empfänger?
Angesichts der beschriebenen Zugeständnisse an die Opposition fällt
der Spielraum für Frau von der Leyen & Co. an dieser Stelle eher
gering aus. Die Arbeitsministerin wird aber auch nicht beschädigt aus
dem Hartz-IV-Poker herausgehen. Schließlich hat sie es geschafft,
dass es für die vielen armen Kinder in Deutschland überhaupt neue
Leistungen gibt. Das wird ihren Ruf als "Mutter der Nation" fördern -
auch wenn sie durch die Karlsruher Verfassungsrichter gezwungen war,
mehr für die Kleinsten unter den armen Leuten zu tun. Die deutsche
Demokratie mit ihrem ausgeprägten System Gewaltenteilung und
-kontrolle lässt wenig Raum für eine durchexekutierte Machtpolitik
Einzelner. Darum können durchaus zwei starke Frauen gewinnen beim
Hartz-IV-Poker. Sie erreichen, was eine große Mehrheit der Bürger für
richtig hält: Dass die Bundesregierung mehr Verantwortung übernimmt,
um bessere Chancen für alle Kinder zu schaffen. Der Irrweg des
Föderalismus, wonach der Bund nichts für die Schulen tun darf, wird
ein Stück weit ausgehebelt. Allein dafür hätte sich der
Vermittlungsmarathon schon gelohnt.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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