(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Kommentar/Leitartikel Mittelbayerische Zeitung (Regensburg) zum Aus für die Wehrpflicht.

Geschrieben am 03-01-2011

Regensburg (ots) - Die letzten beißen die Hunde: Es ist eine
bittere Ironie, dass der gestrige Einberufungstermin für die
Wehrpflichtigen ein Gefühl von Ungerechtigkeit hervorruft. Zumindest
die jungen Männer, die gegen ihren Willen zur Bundeswehr eingezogen
wurden, werden sich fragen, warum es so kurz vor Torschluss
ausgerechnet sie erwischen musste. Zum nächsten Termin in zwei
Monaten werden nämlich nur noch Freiwillige genommen.
Symbolträchtiger hätte dieser 3. Januar nicht ausfallen können, der
den endgültigen Abschied von der Wehrpflicht markiert. Denn seit
Jahren existiert die Wehrgerechtigkeit nur noch auf dem Papier. Und
seit langem ist die Bundeswehr eine Zwei-Klassen-Armee: Einerseits
hervorragend ausgebildete Berufs- und Zeitsoldaten für gefährliche
Auslandseinsätze - andererseits Wehrpflichtige, die zwischen
Geländeübungen und Spindaufräumen schon mal an der Sinnhaftigkeit
ihrer Ausbildung zweifeln. Und darüber ein bürokratischer Wasserkopf
mit verwirrenden Zuständigkeiten. Dass die Bundeswehr in diesen
Punkten reformbedürftig ist, wird niemand bestreiten. Doch wie
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg die historische
Zäsur für die Armee im Eiltempo durchpaukte, wirft gewaltige
Fragezeichen auf. Zunächst bei der Bundeswehr selbst: Für die
Ausmusterung der Wehrpflicht mag es zuletzt plausible Gründe gegeben
haben. Dennoch überrascht es, wie schnell die Union das Thema
preisgab, das zuvor als unverhandelbar galt. Immerhin war die
Wehrpflicht fünf Jahrzehnte lang ein Erfolgsmodell. Sie fungierte als
sichtbares Zeichen dafür, dass die Armee fest in der Gesellschaft
verankert ist. Sie war ein Garant dafür, dass sich kein Staat im
Staate mehr bilden konnte. Und sie gewährleistete die Durchlässigkeit
der Bundeswehr für junge Männer aus allen Berufen und Schichten. Das
könnte sich in einer reinen Freiwilligenarmee schnell ändern, wenn
verstärkt perspektivlose Jugendliche ihr Heil beim Militär suchen. Im
schlimmsten Fall droht uns dann eine Unterschichtenarmee. Mit seinem
Vorstoß überrumpelte Guttenberg Freund und Feind. Für den schnellen
Erfolg, sich als effizienter Sparminister profilieren zu können,
opferte er mit der Wehrpflicht einen Markenkern der Union. Und
pikanterweise übernahm er damit auch noch eine Kernforderung von
Grünen - und FDP. Das werden die Kollegen aus CDU und CSU dem
Polit-Star unter die Nase reiben, wenn er einst für höhere Aufgaben
gehandelt wird. Guttenberg bleibt bei seinen Reformplänen
entscheidende Antworten schuldig. Es steht völlig in den Sternen, ob
der Staat ohne Wehrpflichtige überhaupt Geld sparen kann. Nicht nur,
weil Berufssoldaten wesentlich teurer sind. Spätestens, wenn in
wenigen Monaten das Zivildienstsystem zusammenbricht, das an die
Wehrpflicht gekoppelt ist, könnte sich die Bundeswehrreform als
teurer Irrtum entpuppen. Denn den Kandidaten für den
Bundesfreiwilligendienst wird man für die Pflege und Betreuung von
Alten, Kranken und Behinderten weit bessere Anreize bieten müssen als
das bislang veranschlagte Taschengeld. Zum riskantesten Manöver wird
für den Minister die Schrumpfkur für die Truppe. Bisher steht
Guttenbergs großes Streichkonzert nur auf dem Papier. Er will die
Zahl der Soldaten deutlich verringern, schweigt sich aber aus, welche
Standorte zusperren sollen. Guttenberg wird wegen der anstehenden
Kasernenschließungen noch viele politische Schlachten gewinnen müssen
- mit Ministerpräsidenten genauso wie mit Bürgermeistern und wütenden
Bundeswehrangehörigen - quer durch die Republik. Sie werden ihm nicht
so schnell verzeihen, wenn es ausgerechnet sie treffen wird.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

308824

weitere Artikel:
  • Rheinische Post: Auch Piloten fordern Profiling an Flughäfen Düsseldorf (ots) - Der Düsseldorfer Flughafen-Chef Christoph Blume erhält für seinen Vorschlag, Fluggäste bei der Kontrolle nach israelischem Vorbild in Risikoklassen zu unterteilen, immer mehr Unterstützung. "Ich verstehe die Welle der künstlichen Empörung über diesen Vorschlag nicht", sagte der Sprecher der als "Pilotengewerkschaft" bekannten Vereinigung Cockpit, Jörg Handwerg, der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Dienstagausgabe). Auch in anderen Lebensbereichen - etwa bei Versicherungen - sei die Einteilung in mehr...

  • Rheinische Post: NRW-FDP stellt sich hinter Westerwelle Düsseldorf (ots) - Im Führungsstreit der FDP hat sich der NRW-Landesverband hinter Guido Westerwelle gestellt. Die Debatte um Westerwelle sei "beendet", sagte der nordrhein-westfälische FDP-Chef Daniel Bahr der "Rheinischen Post" (Dienstagausgabe). "Es gibt keine Mehrheit gegen ihn", so Bahr. Vom Dreikönigstreffen der Liberalen am Donnerstag in Stuttgart müsse ein "offensiver Start ins Jahr 2011" ausgehen. Jetzt komme es darauf an, den Bürgern den großen Unterschied vor Augen zu führen, ob die FDP mitgestalte oder nicht. FDP-Wählern, mehr...

  • Rheinische Post: CSU will mit TV-Spots für gesunden Lebensstil werben Düsseldorf (ots) - Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Johannes Singhammer (CSU), hat TV-Spots für ein gesundheitsbewusstes Leben gefordert. Sie sollten im Stil der früheren Verkehrserziehungssendung "Der siebte Sinn" gehalten sein. "Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten bei der Verringerung der Verkehrstoten erstaunliche Erfolge erzielt, unter anderem durch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit", sagte Singhammer der "Rheinischen Post" (Dienstagausgabe). "Wir brauchen auch für die Gesundheit eine ähnliche mehr...

  • Saarbrücker Zeitung: Verdi-Chef Bsirske erneuert Forderung nach höheren Löhnen Saarbrücken (ots) - Verdi-Chef Frank Bsirske hat die Forderung der Gewerkschaften nach deutlich höheren Löhnen für die Arbeitnehmer erneuert. Bsirske sagte der "Saarbrücker Zeitung" (Dienstag), dafür gebe es gute Gründe: "Wenn wir die gute wirtschaftliche Entwicklung verstetigen wollen, muss endlich auch der Binnenmarkt gestärkt werden." Mit Blick auf die anstehende Tarifrunde für den öffentlichen Dienst der Länder betonte Bsirske, leere Kassen seien kein Argument gegen berechtigte Lohnforderungen. Das Problem sei "keine Naturkatastrophe, mehr...

  • LVZ: JuLis erwarten Koalitionserfolg bei Vorratsdatenspeicherung und Steuer-Vereinfachung / FDP-interne Kritiker verlangen "symbolhaften Sieg" Leipzig (ots) - Die FDP-Nachwuchsorganisation Junge Liberale erwartet von der Mutterpartei den Nachweis, dass sie in der Koalition auch etwas durchsetzen kann. JuLi-Chef Lasse Becker nannte der "Leipziger Volkszeitung" (Dienstag-Ausgabe) dafür zwei symbolische Punkte. "Den klaren Kurs der Bundesjustizministerin halten bei der Ablehnung einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung, die jeden Bürger unter Verdacht stellt. Auch gegen den Widerstand der Union." Einen zweiten Punkt müsste die FDP in der Koalition bei der versprochenen Steuervereinfachung mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht