(Registrieren)

Südwest Presse: Kommentar zum Arbeitsmarkt

Geschrieben am 28-10-2010

Ulm (ots) - Historisch muss man den Einschnitt nennen, den der
Rückgang der Arbeitslosenzahl im Oktober auf 2,945 Millionen
markiert: Damit ist die Arbeitslosigkeit am Ende einer Rezession
erstmals seit der Ölkrise 1973/74 geringer als vor Beginn des
konjunkturellen Rückschlages. Das deutsche Beschäftigungswunder kommt
nicht von ungefähr. Es hat zunächst mit der überragenden Stärke der
heimischen Exportwirtschaft zu tun, die am meisten von der schnellen
Rückkehr der Weltwirtschaft auf einen Wachstumskurs profitiert.
Sodann sind es die Tarifparteien, die sich den Lorbeer ans Revers
heften können: Moderate Lohnpolitik, flexible Beschäftigung mit Hilfe
von Arbeitszeitkonten und nicht zuletzt Lohnverzicht der
Beschäftigten in der Krise zum Zwecke der Sicherung der
Arbeitsplätze. Zahllose Unternehmen - die mittelständischen vorneweg
- nahmen überdies auch tiefrote Bilanzen in Kauf. Dessen ungeachtet
war es der sozialdemokratische Kanzler Gerhard Schröder, der um den
Preis der vorzeitigen Abwahl mit seiner Arbeitsmarktpolitik -
Stichworte: Agenda 2010 und Hartz IV - für die Reformen am
Arbeitsmarkt gesorgt hat, die Verkrustungen aufbrachen und so die
Beschäftigungschancen von Stellensuchenden massiv verbesserten. Dass
dies viel zu oft nur über einen Mini-Job oder um den Preis von
Löhnen, die zum Leben kaum reichen, oder allein über schlecht
bezahlte Leiharbeit funktioniert, ist unverändert ein
sozialpolitisches Ärgernis. Nicht zu vergessen ist schließlich neben
der aktiven Anti-Krisenpolitik der schwarz-roten Koalition
Merkel/Steinmeier die vom SPDArbeitsminister Olaf Scholz umgesetzte
Kurzarbeitsregelung. In der Krise war das ein entscheidender
beschäftigungspolitischer Notnagel. Trotz aller Erleichterung über
die sehr erfreuliche Entwicklung am Arbeitsmarkt, die so auch kein
Experte auf der Rechnung hatte, kann jedoch von eitel Sonnenschein
nicht die Rede sein. Dazu sind die Probleme noch immer viel zu groß:
Berücksichtigt man auch die etwa 1,5 Millionen Menschen, die von
einer der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der Bundesagentur für
Arbeit profitieren, dann sind noch immer 4,5 Millionen Bundesbürger
auf der Suche nach einer Stelle. Darüber hinaus kommt der Abbau der
strukturellen Arbeitslosigkeit vor dem Hintergrund einer
ausgesprochen dynamisch wachsenden Wirtschaft noch immer viel zu
schleppend voran. Die Hauptproblemgruppe unter den
Langzeitarbeitslosen, die über 50-Jährigen, hat der Aufschwung am
Arbeitsmarkt überhaupt noch nicht erreicht. Und ob der jüngste Befund
des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung auf Dauer Bestand
hat, wonach der Boom bei den unsicheren Arbeitsverhältnissen mehr ein
gefühlter als ein tatsächlicher ist, muss sich erst noch zeigen.
Schließlich geht aus der gleichen Statistik auch hervor, dass unter
den Berufseinsteigern, die fast nur noch Zeitverträge bekommen,
weniger als die Hälfte hernach auf eine unbefristete Stelle wechseln
kann. Anlass zur Zuversicht gibt hier allerdings die demografische
Entwicklung, die das Fachkräfteproblem beständig verschärft. Weil
Arbeitskräfte knapper werden, dürften zudem die Tage gezählt sein, in
denen die Arbeitgeber in Tarifverhandlungen mit den Gewerkschaften
auch wegen der hartnäckig hohen Arbeitslosigkeit eher leichtes Spiel
hatten. Es kann auch nicht auf Dauer dabei bleiben, dass einzig die
soziale Sensibilität von Managern, bei Bosch etwa, über das Ausmaß
der Beteiligung der Arbeitnehmer am Erfolg ihrer Unternehmen
entscheidet. Die Beschäftigten erwerben mit ihrer Leistung ein
eigenständiges Anrecht auf eine faire Erfolgsbeteiligung.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

297728

weitere Artikel:
  • Neue Presse Hannover: Kommentar zu Atomlaufzeiten von Petra Rückerl Hannover (ots) - Vor dem Bundestag gab es ohrenbetäubende Pfeifkonzerte, im Bundestag schrille Töne, auf der CDU-Zentrale eine waghalsige Kletteraktion - dennoch oder trotz allem peitschte die schwarz-gelbe Bundesregierung ihr atomfreundliches Energiekonzept durchs Parlament. Als sei die Sache damit erledigt. Damit aber fängt sie erst richtig an. Mit der Laufzeitverlängerung wurde ein Konsens aufgekündigt, der das Land in Sachen Kernenergie einigermaßen befriedet hatte. Auch atomkritische Geister konnten den rot-grünen Ausstiegsvertrag mehr...

  • Ostthüringer Zeitung: Kommentar Ostthüringer Zeitung Gera Gera (ots) - Ostthüringer Zeitung Gera zu EU-Gipfel: Ziemlich einleuchtend ist die Vorstellung der Bundeskanzlerin, eine Option zur Bereitstellung dreistelliger Milliardenbeträge müsse man im EU-Vertrag verankern, der bis dato nichts dergleichen vorsieht. Die Deutschen haben indes den Fehler gemacht, das Mittel zum Zweck zu erklären. Angestrebt werde eine Änderung des Vertrags. Wozu? Darauf gab es unterschiedliche Antworten, bis hin zum Bescheid, man brauche die Möglichkeit eines mehr oder minder freiwilligen Austritts aus mehr...

  • BERLINER MORGENPOST: Konfrontation statt Forschritt - Leitartikel Berlin (ots) - Es war ja erst der Auftakt. Der kleinen Keilerei um die Laufzeitverlängerung gestern im Bundestag wird in der kommenden Woche eine große Landpartie Richtung Gorleben folgen, wo man mit ein paar Zehntausend Menschen rechnet, die gegen die Atomkraft demonstrieren werden - gegen das Endlager in Gorleben, gegen die Energiekonzerne und natürlich auch gegen die schwarz-gelbe Regierung, die dieser fast schon eingeschlafenen Protestbewegung mit ihren jüngsten Entscheidungen eine enorme Dynamik verpasst hat. Angela Merkel, mehr...

  • Rheinische Post: Die CDU in NRW gibt Rätsel auf Düsseldorf (ots) - Ein Kommentar von Detlev Hüwel: Bei Rot-Grün dürften heute die Champagner-Korken knallen. Die von Hannelore Kraft (SPD) trickreich ausgerufene "Koalition der Einladung" funktioniert. Um nicht in einem schlechten Licht dazustehen, macht die CDU mit der Minderheitsregierung gemeinsame Sache. Das ist mehr als verwunderlich: Die Strategie ist unbegreiflich. Sicher, den Kommunen muss und soll geholfen werden. Viel zu lange hat Schwarz-Gelb zugesehen, wie die Städte und Kreise wegen der wachsenden Sozialausgaben mehr...

  • Rheinische Post: Große Energie-Ziele Düsseldorf (ots) - Ein Kommentar von Birgit Marschall: Die Schlacht um die Atomkraft verstellt mitunter den Blick auf das große Ganze: Die Koalition hat gestern nicht nur die Verlängerung der Atom-Laufzeiten, sondern auch das bisher ehrgeizigste Energiekonzept aller Industrienationen für die kommenden 40 Jahre beschlossen. Es sieht vor, den Anteil der Energie aus Wind, Sonne, Wasserkraft und Biomasse bis 2050 von derzeit nicht einmal 20 auf über 80 Prozent zu steigern. Schädliche Treibhausgasemissionen sollen bis dahin um 80 mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht