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BERLINER MORGENPOST: Konfrontation statt Forschritt - Leitartikel

Geschrieben am 28-10-2010

Berlin (ots) - Es war ja erst der Auftakt. Der kleinen Keilerei um
die Laufzeitverlängerung gestern im Bundestag wird in der kommenden
Woche eine große Landpartie Richtung Gorleben folgen, wo man mit ein
paar Zehntausend Menschen rechnet, die gegen die Atomkraft
demonstrieren werden - gegen das Endlager in Gorleben, gegen die
Energiekonzerne und natürlich auch gegen die schwarz-gelbe Regierung,
die dieser fast schon eingeschlafenen Protestbewegung mit ihren
jüngsten Entscheidungen eine enorme Dynamik verpasst hat. Angela
Merkel, Rainer Brüderle und ihre verbliebenen Anhänger werden sich
eines Tages fragen müssen, ob es das wert war. Ob es sich gelohnt
hat, den Ausstieg aus dem Ausstieg zu diesem Zeitpunkt durchzusetzen
und damit das, was unsere Gesellschaft angesichts der absehbaren
Unzulänglichkeit unserer bisherigen Stromversorgung tatsächlich
braucht, in weite Ferne zu rücken: einen nationalen Energiekonsens.
Eine gesellschaftliche Einigung über die Versorgungsquellen und
Versorgungswege der Zukunft, die Bestand hat auch über den nächsten
Regierungswechsel hinaus. Stattdessen hat man den Weg der
Konfrontation gewählt, der möglicherweise vor dem
Bundesverfassungsgericht endet oder nach den nächsten Wahlen.
Gewonnen ist jedenfalls mit der gestrigen Abstimmung nichts, für
niemanden. Der Bundesbürger ist ja sehr labil geworden bei seiner
politischen Entscheidungsfindung. Die derzeitige Tendenz der
Meinungsumfragen deutet jedenfalls nicht darauf hin, dass der
schwarz-gelbe Kurs in der Energiepolitik auf mittlere Sicht
mehrheitsfähig sein könnte. Dabei ist das, was Norbert Röttgen
federführend vorgelegt hat, zum großen Teil tatsächlich
zukunftsweisend. Schadstoffreduktion, Ausbau und Förderung der
erneuerbaren Energien, Ausbau des Leitungsnetzes, das alles ist zwar
keine "Revolution", wie der Bundesumweltminister gestern meinte. Aber
es ist ökonomisch und ökologisch notwendig, politisch durchsetzbar
und ein großer Gewinn gegenüber rot-grüner Tatenlosigkeit. Jürgen
Trittin und Klaus Wowereit, gestern verbalradikal wieder ganz weit
vorn, hatten zwei Legislaturperioden Zeit, Lösungen zu finden, sei es
für den unstreitig nötigen Aus- und Neubau der großen Stromnetze, sei
es für die Endlagerung. Geliefert hat Rot-Grün damals nicht, man hat
es noch nicht mal versucht. Umso bedauerlicher, dass Schwarz-Gelb die
Menschen jetzt wieder in die Arme der Destruktion treibt. Indem sie
die Laufzeiten der Atomkraftwerke zur Unzeit, ohne Not, zu pauschal
und ohne den eigenen Ausstiegswillen glaubwürdig zu dokumentieren,
verlängert. Indem sie den für eine dauerhaft akzeptierte
Energiepolitik nötigen Kommunikationsprozess vermeidet,
beziehungsweise vergurkt, stattdessen mit dem Kopf durch die Wand
will und dabei auch noch den Eindruck hinterlässt, willfähriges
Werkzeug der großen Energiekonzerne zu sein. Die dazu passenden Fotos
werden in der kommenden Woche in Gorleben geschossen, wo alles wieder
sein wird wie früher. Kein Fortschritt, nirgendwo.

Originaltext: BERLINER MORGENPOST
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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