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Lausitzer Rundschau: Die Regierung und die Debatte um die Integration

Geschrieben am 17-10-2010

Cottbus (ots) - In ihrer Verzweiflung versuchen sich hochrangige
Vertreter der schwarz-gelben 35-Prozent-Koalition jetzt als
Trittbrettfahrer. Man hat in Berlin und München offenbar sehr genau
registriert, auf welche Resonanz die Thesen des Ex-Bankers und
Ex-Politikers Thilo Sarrazin, alles in allem ein ziemlich kruder Mix
aus Pseudo-Wissenschaft und Banalitäten, in Teilen der Bevölkerung
gestoßen sind. Deshalb erklärt CSU-Chef Horst Seehofer nun -
Demografie hin, Fachkräftemangel her - weitere Zuwanderung
kategorisch für unerwünscht. Und Kanzlerin Angela Merkel, die noch
vor Kurzem die deutsche Nationalelf als Beispiel gelungener
Integration feierte, lässt wissen, "Multikulti" sei gescheitert -
ohne allerdings genau zu erläutern, was sie denn damit wohl meint.
Schließlich lässt sich kaum leugnen, dass das ganz normale Leben, das
wir heute in Deutschland führen, ein aus vielerlei Kulturen
gespeistes Sammelsurium ist. Wir essen Pizza, Soljanka und Döner, wir
trinken Tee und Kaffee, wir tragen Hosen aus Amerika und T-Shirts aus
China, unsere Zahlen sind arabisch-indischen Ursprungs, unser
Justizsystem basiert auf altem römischen Recht, und wenn wir reden,
benutzen wir Lehnwörter aus fast allen Sprachen der Welt. In diesem
Sinne ist jede moderne Gesellschaft eine multikulturelle
Gesellschaft. Funktionieren kann sie freilich nur unter zwei
Bedingungen. Erstens: Jeder, der in einer solchen Gesellschaft lebt,
muss sich an die dort geltenden Gesetze halten, die auch eine Summe
historischer Erfahrungen sind. Und zweitens: Jeder sollte - im
eigenen Interesse - die Sprache erlernen, die es ihm ermöglicht, an
dieser Gesellschaft teilzuhaben. Das war's dann aber auch. Auch wenn
mancher Unionspolitiker in den vergangenen Tagen nicht müde wurde,
die christlich-jüdisch-abendländischen Werte zu betonen, auf denen
unsere Gesellschaft beruhe: Ob er sonntags in die Kirche geht oder
auf den Fußballplatz, Schweinefleisch isst oder vegan lebt, an Allah
glaubt oder an das große Nichts, ist jedermanns Privatsache und geht
weder Staat noch Regierung etwas an. Ohnehin ist schon ein gewaltiges
Maß an Heuchelei und Selbstgerechtigkeit im Spiel, wenn man die
selbst ernannten Werte-Bewahrer dieser Tage so reden hört. Zum einen
hat es auch die christlich-jüdisch-abendländische Tradition nicht
verhindert, dass es in diesem Land vor weniger als 80Jahren
zum größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte kommen konnte. Zum
anderen wird gegen den Islam gerne ins Feld geführt, sein Frauenbild
widerspreche westlichen Werten. Tatsächlich gehört die volle
Gleichberechtigung der Frau mittlerweile zu den Grundlagen unserer
Gesellschaft und ist nicht verhandelbar. Wer aber über den Islam
urteilt, sollte sich in Erinnerung rufen, dass sie auch in der
Bundesrepublik Deutschland erst 1993 im Grundgesetz verankert wurde.
Dass die Vergewaltigung in der Ehe hierzulande erst seit 1997
strafbar ist. Oder dass die Türkei schon 1934 das volle
Frauen-Wahlrecht eingeführt hat - knapp 40 Jahre vor der
christlich-abendländischen Schweiz. Warum sollte, vor diesem
Hintergrund, nicht auch ein aufgeklärter Islam Teil Deutschlands sein
können? Seine Vertreter zu unterstützen und in die Pflicht zu nehmen,
nicht billige Stimmungsmache, wäre die Aufgabe verantwortlicher
Politik.

Originaltext: Lausitzer Rundschau
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/47069
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_47069.rss2

Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de


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