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Westdeutsche Zeitung: Da war es nur noch ein Zwilling = Von Alexander Marinos

Geschrieben am 22-10-2007

Düsseldorf (ots) - Selten hat man so viel Genugtuung empfunden
nach einer Wahl im Ausland. Der Sieg des Oppositionspolitikers Donald
Tusk über den bisherigen polnischen Regierungschef Jaroslaw Kaczynski
ist gut für Europa, für Deutschland und nicht zuletzt für Polen
selbst. Dass die Polen mit Rekordbeteiligung eine Regierung aus dem
Amt gejagt haben, die sich in der Innen- wie in der Außenpolitik vor
allem aufs Spalten konzentrierte, zeigt, wie vital die
vergleichsweise junge Demokratie an der Weichsel ist.

Bei allem Jubel dürfen zwei Dinge allerdings nicht vergessen
werden. Erstens hat die alte Regierung im Verhältnis zu Deutschland
und Europa nicht nur an der Oberfläche Schaden angerichtet. Zwar
dürften uns künftig Szenen wie beim Brüsseler EU-Gipfel im Juni
erspart bleiben, als Präsident Lech Kaczynski nur wie eine Marionette
wirkte, während Zwillingsbruder Jaroslaw telefonisch von Warschau aus
ganz Europa blockierte. Vergessen ist der Vorgang indes nicht;
verlorenes Vertrauen muss neu aufgebaut werden. Zweitens wird der
mutmaßliche neue Regierungschef Tusk zwar kooperativer auftreten und
vor allem gegenüber Berlin einen gutnachbarschaftlichen Ton
anschlagen. Wenn es allerdings darum geht, polnische Interessen
durchzusetzen, sind auch die Liberalen in der Sache knallhart.

Konfliktlinien gibt es genug. Exemplarisch seien nur die
deutsch-russische Gaspipeline und das geplante Zentrum gegen
Vertreibung genannt. Im Streit um die Reform des
Abstimmungsverfahrens in der EU hätte Tusk am Verhandlungstisch
vermutlich sogar eine noch härtere Gangart eingeschlagen als die
Kaczynski-Brüder. Nachdem die polnische Regierung die
kleinlich-absurde Quadratwurzel-Formel in Brüssel nicht hatte
durchsetzen können, erntete sie dafür von den heimischen Liberalen
besonders scharfe Kritik.

Und noch etwas: Zwei Zwillinge minus ein Zwilling macht ein
Zwilling. Der Präsident ist noch bis 2010 im Amt. Lech Kaczynski kann
per Veto Gesetzgebungsverfahren torpedieren und hat bei der
Außenpolitik ein gewichtiges Wort mitzureden. Und dann ist da ja auch
noch Jaroslaw. Der wird wohl kaum wieder zu seiner Mutter ziehen und
sich aufs Sohn-Sein beschränken, sondern im Hintergrund munter die
Fäden ziehen.

Originaltext: Westdeutsche Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/62556
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Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211 / 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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