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WAZ: SPD-Chef kontra SPD-Minister: Rolle beckwärts - Leitartikel von Ulrich Reitz

Geschrieben am 07-10-2007

Essen (ots) - Franz Müntefering hält den Vorstoß Kurt Becks, das
Arbeitslosengeld länger zu zahlen, für "inhaltlich und strategisch"
verfehlt. Weshalb?

Als die SPD noch mit sich im Einklang war, vor der Agenda 2010
mithin, ging es zwar der Partei gut, dafür aber der Realität
schlecht. Noch nie waren so viele ältere Menschen arbeitslos, noch
nie der Arbeitslosenbeitrag so hoch, noch nie die Versicherung so
pleite. Und noch nie war es für Firmenchefs so leicht, ihren
Jugendwahn auf Staats- wie Beitragszahlerkosten auszuleben und schon
50-Jährige nach Hause zu schicken. Um zu vermeiden, dass noch einmal
eine fröhliche SPD von einer traurigen Wirklichkeit eingeholt wird,
ist Müntefering inhaltlich gegen Beck.

Müntefering hat einen autobiografischen Grund: Schmerzhaft musste
er lernen, dass Gerechtigkeit und Gerechtigkeitsempfinden Gegenwelten
sein können. Ist es sozialer, Arbeitslose zu entlasten, Jobinhaber
(durch geringere Arbeitslosenbeiträge) aber nicht? Ist es sozial
(oder: generationengerecht), die Rente mit 67 wieder aufzuweichen, wo
doch die größten Renten-Einbußen auf jene warten, die jetzt in ihren
Beruf einsteigen? Ist es sozial, Leiharbeit stärker zu belasten, wenn
dadurch zwar für dieselbe Arbeit dasselbe bezahlt wird, aber Jobs
verloren gehen? Die Maßnahmen der Agenda 2010 mögen, niemand weiß das
so wie Müntefering, zwar als ungerecht empfunden werden, aber was
wäre die Alternative gewesen? Ein Gerechtigkeitslücke ist ein Gefühl,
eine Finanzierungslücke ein Faktum.

Strategisch ist Müntefering gegen Beck, weil er es für gefährlich
hält, der Linkspartei hinterherzulaufen. Weil er weiß, dass Oskar
Lafontaine den Überbietungswettlauf um den sorglosesten Geldverteiler
der Republik stets gewinnen wird. Lafontaine darf ungestraft mit
einem Generalstreik gegen die Rente mit 67 liebäugeln, kein
SPD-Vorsitzender dürfte so staatszerstörerisch denken. Deshalb ätzt
Müntefering gegen Beck auf wirklich einmalige Weise: "Irgendwann
werden wir uns alle mit der PDS treffen, gemeinsam alte Lieder singen
und sagen, so, jetzt ist alles wieder in Ordnung."

Nicht einmal die Gewerkschaften wird Beck zufrieden stellen. Von
Verdi wurde er noch vor wenigen Tagen ausgebuht, als er sich
grundsätzlich zur Agenda bekannte. Müntefering, aus dem man keinen
Helden machen muss, hat also gute Gründe für sein Nein. Aber er wird
verlieren und vielleicht gehen. So wird es am Ende an der Realität
sein, sich nach der SPD zu richten. Ob sie das schon weiß, die
Wirklichkeit?

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

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Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de


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