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WAZ: Neue Schuldenregeln Eine einmalige Chance - Leitartikel von Stefan Schulte

Geschrieben am 14-09-2007

Essen (ots) - Sich selbst an die Kandare zu nehmen, liegt nicht in
der Natur des Menschen. Warum also sollten ausgerechnet Politiker,
die fürs Ausgeben fremden Geldes gewählt werden, sich freiwillig
zügeln? Der Sozialdemokrat Alex Möller war 1970 der letzte
Bundesfinanzminister, der einen ausgeglichenen Haushalt vorlegte.
Seitdem ist die Volksweisheit "Spare in der Zeit, dann hast Du in der
Not" unzählige Male bemüht, aber nicht einmal mehr befolgt worden.
Nun, 37 Jahre später, soll sie wieder zum Grundsatz deutscher
Finanzpolitik werden.

Der Zeitpunkt ist perfekt: Die Steuern sprudeln, der Aufschwung
haucht unseren Politikern das nötige Quäntchen Selbstvergessenheit
ein. Und die Große Koalition hat den Vorteil, dass Wahlgeschenke
keiner Volkspartei einen Vorteil brächten. Kurzum: Unsere Politiker
können es sich derzeit leisten, weitsichtig zu sein. Nur so geht es.
Immerhin müssen sie für neue Schuldenregeln das Grundgesetz ändern.

Einig ist man sich, dass die alte Regelung ausgedient hat. Bisher
darf der Finanzminister so viele Schulden machen, wie er investiert.
Das hat dazu geführt, dass der Staat sich auch in guten Jahren Geld
geliehen hat, statt es zurückzuzahlen. Und in ganz schlechten durfte
er noch das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht für gestört und damit
alle Begrenzungen für nichtig erklären. Als Folge zahlen wir nun
jedes Jahr rund 40 Milliarden Euro nur für Zinsen.

Einer der beiden Lösungsvorschläge springt deshalb zu kurz: Statt
der Bruttoinvestitionen könnten die Nettoinvestitionen zur Grenze
werden. Damit wäre nur das falsche Prinzip etwas abgeschwächt. Ein
Neuanfang wäre dagegen Variante zwei: Für den gesamten
Konjunkturzyklus wird eine Schuldenschranke festgesetzt, zum Beispiel
ein Defizit von 0,5 Prozent. Höhere Schulden im Abschwung müssten
durch Überschüsse im Aufschwung ausgeglichen werden. Theoretisch.
Dass man auch dieses EU-Prinzip brechen kann, haben ausgerechnet die
Deutschen mehrfach bewiesen. Dennoch wäre dieser Weg der richtige.

Allerdings sind die zwei Jahre bis zur Bundestagswahl in
politischer Zeitmessung schon wieder knapp. Die neuen Regeln müssen
ein Bundes- und 16 Länderfinanzminister unterschreiben. Steinbrücks
Plan, mehr Schulden machen zu dürfen als die Länder, ist dem nicht
dienlich. Auch wird die Hilfe für strukturschwache Länder kniffelig.
Deshalb sollten sich die Finanzminister ihrer Verantwortung gewahr
werden: Sie haben die seltene Chance, einmal nicht nur in
Plakatphrasen Zukunft zu gestalten.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

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Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de


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