Allg. Zeitung Mainz: Eine neue Dimension (Leitartikel zu verhindertem Terror)

Mainz (ots) - Eben noch schien sich eine Art Nostalgie des Terrors
in Deutschland breit zu machen und mit ihr im Erinnern an die
Verbrechen der RAF vor dreißig Jahren häufig auch ein Hauch wohliger
Selbstgefälligkeit darüber, wie gut das doch alles überwunden worden
ist. Da naht wieder einmal der 11. September, der seit sechs Jahren
Menschen in aller Welt den Atem stocken lässt. Und als sei erneut ein
Terroranschlag genau auf dieses Datum abgezielt gewesen, decken
deutsche Sicherheitsbehörden erfolgreich Pläne und Vorbereitungen
eines ähnlich motivierten Verbrechens auf, das nach Angaben der
Behörden, gemessen an der Menge des präparierten Materials, ein
gigantisches Ausmaß gehabt hätte. Mit der Verhaftung dreier dringend
Tatverdächtiger in der Idylle eines sauerländischen Ferienhauses ist
aber nicht nur der offenkundig islamistisch motivierte Terrorismus
nun unstrittig hierher zurückgekehrt. Die mutmaßlichen Täter, zwei
Deutsche und ein Türke, haben deutsche Pässe, sind hier geboren und
leben auch hier. Jenseits der Dimension des Anschlags, dessen Ziel
zwar unbekannt ist, der jedoch möglichst viele Menschen treffen
sollte, ist die Erkenntnis, dass Landsleute im allgemeinen und
islamische Konvertiten im besonderen sich gewaltsam gegen ihre
eigenen Mitbürger wenden, das Erschreckendste an dieser knapp
gescheiterten Untat.

Geradewegs in den Islamismus
So etwas hat es in dieser Größenordnung zuletzt in Großbritannien
gegeben, wo mehrere Ärzte und anderes medizinisches Personal mit
islamistischem Hintergrund bei der Vorbereitung eines Terroranschlags
geschnappt wurden. Damals wurde viel über misslungene
gesellschaftliche Integration geredet und geschrieben. Das trifft auf
die gestern in Deutschland Verhafteten nicht ohne weiteres zu. Sie
sind vielmehr dem nicht kleinen Kreis von meist jungen Bundesbürgern
zuzuordnen, die ganz bewusst zum zunächst friedlichen Islam
übertreten, um im Schutz dessen Gruppendenkens, -handelns und
-empfindens geradewegs zum Islamismus und dessen mittlerweile
weltumspannendes Netzwerk des Terrors durchzustoßen. Ihre
Kommandozentrale liege in Usbekistan, ihr Ausbildungsort in Pakistan,
haben Sicherheitsbehörden ermittelt, die die drei Terroristen seit
Monaten auf Schritt und Tritt observierten. Auch das ist neu. Und es
fragt sich: Wie viele von der Sorte gibt es noch? Die Frage danach
muss ebenso offen bleiben, wie bis auf weiteres die nach dem Ziel der
Terroristen. - Allein der Gedanke an den Frankfurter Flughafen ist
ein Albtraum. - Genau zu klären sind auch die Motive, obwohl das
mutmaßlich wichtigste nahe scheint: Deutschland ist militärisch in
Afghanistan aktiv. Eine Verlängerung des Einsatzes steht bevor.
Ändern darf der Terror daran aber nichts. Stattdessen müssen
Politiker einen extra kühlen Kopf bewahren. Das gilt auch für die
Diskussion um die Verschärfung von Sicherheitsgesetzen. Es gibt dafür
keinen schlechteren Zeitpunkt als den jetzigen.

Originaltext: Allgemeine Zeitung Mainz
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