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Westdeutsche Zeitung: Wann kommen die Opfer zu ihrem Recht? Von Friedrich Roeingh

Geschrieben am 12-08-2007

Düsseldorf (ots) - Die Deutung jüngerer Geschichte ist in der
Regel von politischen Positionen und Interessen geleitet. Die
Wiederentdeckung des Schießbefehls an der deutsch-deutschen Grenze
ist dafür ein Lehrbeispiel. Der Birthler-Behörde, die in diesen Tagen
für die Fortführung ihrer Eigenständigkeit eintritt, kam die
"Enthüllung" des Stasi-Schießbefehls gegen Frauen und Kinder gerade
recht. Peinlich nur, dass sie sich nachweisen lassen muss, diesen
Fund für ihre eigenen Interessen instrumentalisiert zu haben.
Derselbe Schießbefehl an die Stasi-Sondereinheiten, die die
Grenzkommandos der DDR-Volksarmee zu unterwandern hatten, war bereits
vor zehn Jahren in einer wissenschaftlichen Dokumentation
veröffentlicht worden.

Ist das Thema damit ein alter Hut, den wir in die Mottenkiste der
deutsch-deutschen Teilung zurücklegen können? Mitnichten. Es ist
beschämend genug, dass wir den Stasi-Terror, mit dem die
sozialistischen Machthaber den Deutschen in der DDR die Freiheit
geraubt und hunderttausende Opfer kriminalisiert und tyrannisiert
hatten, bis heute als lästige Hypothek der Geschichte begreifen.
Während die ostdeutsche Gesellschaft die psychologisch erklärbare
Verdrängung vorzog, die wir noch zu gut aus der mangelhaften
Aufarbeitung der Nazi-Gräuel in der Nachkriegszeit kennen, wollten
wir uns in Westdeutschland nicht von den aktuellen Fragen der
deutschen Einheit ablenken lassen.

Der kritische Blick auf manche Fehlentwicklung dieses vor allem
wirtschaftlich schmerzhaften Prozesses ist uns bis heute weitaus mehr
Aufmerksamkeit wert als die Opfer des Stasi-Staates. Die mehr als
1000 Menschen, die bei Fluchtversuchen über die deutsch-deutsche
Grenze ums Leben kamen, sind nur ein Teil von ihnen. Die Menschen,
denen die Stasi ihre Lebensperspektiven verbaute und die körperliche
und psychische Schäden ihr Leben lang nicht mehr los werden, gehören
ebenso dazu.

Gerechtigkeit werden wir diesen Opfern, die zu einem guten Teil
auch als Vorbilder taugen, erst zukommen lassen, wenn wir die Toten
beim Namen nennen und die lebenden Opfer wenigstens auf symbolische
Entschädigung hoffen dürfen. Das aber ist eines der wenigen Tabus
deutscher Politik nach Überwindung der staatlichen Teilung.

Originaltext: Westdeutsche Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/62556
Pressemappe via RSS : feed://www.presseportal.de/rss/pm_62556.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211 / 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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