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Der Tagesspiegel: Migrationspolitikerinnen kritisieren Klima nach Sürücü-Urteil

Geschrieben am 20-04-2006

Berlin (ots) - Migrationspolitikerinnen haben die
Zuwanderungsdebatte nach dem Urteil im Fall Sürücü heftig kritisiert.
Sidar Demirdögen, die Vorsitzende des Bundesverbands der
Migrantinnen, der sich u.a. gegen Zwangsehen einsetzt, sagte dem in
Berlin erscheinenden Tagesspiegel (Donnerstagausgabe): "Ich bin hier
geboren und aufgewachsen, aber so etwas habe ich noch nie erlebt."
Migrantinnen würden derzeit pauschal zu Opfern, Migranten ebenso
pauschal zu Tätern gemacht und als kulturell rückständig
abgestempelt. Muslime stünden grundsätzlich im Verdacht, in Wahrheit
einem radikalen Islamismus anzuhängen. Das alles gehe an der
Lebenswirklichkeit der übergroßen Mehrheit der Zuwanderer ganz und
gar vorbei, sagte Demirdögen. "Mich hat sehr, sehr erschreckt, wie
sich das zuspitzt. "

Die Grüne Ekin Deligöz, Vize-Vorsitzende des Familienausschusses
im Bundestag, findet die aktuelle Debatte aggressiv und deshalb
gefährlich. Das schüre Angst vor Ausländern, aber auch Neid: "Warum
kümmert man sich jetzt um die Türken, Schwarzen und Russen, sagen
sich manche. Ich bin Deutscher, mir geht's auch nicht gut." Ein
solches Klima begünstige Verbrechen wie das an dem 37-jährigen
schwarzen deutschen Familienvater, der nach einem Angriff in Potsdam
seit Tagen im Koma liegt. "Wer Hass sät, wird Hass ernten", sagt
Deligöz. Politiker, Behörden und viele Menschen seien durch ein
Verbrechen wie das an Hatun Sürücü verständlicherweise "überfragt und
überfordert" und setzten deshalb auf schärfere Strafen. Sie glaubt an
eine Integrationspolitik der kleinen Schritte: "Kindergärten,
möglichst früh und möglichst lange, Sprachkurse, in denen die Kinder
auch Sozialverhalten lernen. Und ein islamischer Religionsunterricht,
der nicht unkontrolliert den islamischen Vereinen überlassen wird."
Dass die kulturelle Entschuldigung, das
"Die-sind-halt-nicht-wie-wir", immer noch funktioniert, hält sie auch
für ein Zeichen des Desinteresses der Mehrheitsgesellschaft an der
Minderheit: "Die einen interessieren sich nicht, und die andern
nutzen das."

Die Integration von Ausländern in Deutschland sei im übrigen nicht
die schlechteste. "Trotz einer Anti-Integrationspolitik hat die
Integration doch noch bestmöglich funktioniert", sagt Deligöz, die
sich an ihre deutsche Schulzeit ab 1979 erinnert: "In Bayern gab es
damals noch rein türkische Schulen mit türkischen Lehrern. Wir
sollten ja nicht auf die Idee kommen, deutsche Schulen zu besuchen.
Die Türken sollten arbeiten und gehen, wenn man sie nicht mehr
brauchte."

Emine Demirbüken- Wegner, Mitglied im CDU-Bundesvorstand, ist
empört über das Urteil im Fall Sürücü: "Die Familienmitglieder sind
für mich die Mittäter, man ist viel zu milde mit ihnen umgegangen."
Der Justiz warf sie im Gespräch mit dem Tagesspiegel "hilfloses
Reagieren" vor: "Das Urteil ist ein Stück Ermutigung für Leute wie
die Mörder von Hatun Sürücü." Demirbüken hält Früherziehung für
Kinder für nur in Grenzen hilfreich: "Man kann die Kinder nicht ihren
Eltern entreißen. Also muss man rein in die Familien. Aber das
funktioniert nicht überall. Und wo es nicht geht, da sollte man auch
den Mut haben, das zu sagen."

Originaltext: Der Tagesspiegel
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=2790
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_2790.rss2

Rückfragen bitte an:
Der Tagesspiegel
Chef vom Dienst
Thomas Wurster
Telefon: 030-260 09-419
Fax: 030-260 09-622
thomas.wurster@tagesspiegel.de


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