 Wiesbadener Kurier: Kommetar zu Mindestlohn
Geschrieben am 19-06-2007 |
Wiesbaden (ots) - Wer am Tag nach der Schlacht im Kanzleramt die
harsche Kritik von links bis liberal, von Arbeitgeberpräsident Hundt
bis zu DGB-Chef Sommer hört, muss eigentlich zum Schluss kommen, dass
den Koalitionären wohl ein Mindestlohn-Kompromiss in der Mitte
gelungen ist. Tatsächlich dürfte die Zahl der Menschen um einige
Millionen steigen, für die durch die Ausweitung des Entsendegesetzes
künftig eine untere Lohngrenze festgeschrieben wird.
Kein genereller Mindestlohn, aber de facto Richtwerte für die am
meisten von Lohndumping betroffenen Branchen.
Wenn trotzdem auch in der Regierung niemand so recht zufrieden ist,
dann weil überfällige Reformen letztlich eben doch nur in kleinsten
Schritten angegangen wurden. Bei der Pflegeversicherung durch mehr
Geld im System sowie schlichte Vertagung. Im Niedriglohnsektor mit
komplizierten Formelkompromissen, bei denen noch manches Detail für
Ärger bis hinein ins Kabinett sorgen wird. Welche und wie viele
Branchen in tarifliche Mindestlöhne einbezogen werden, hängt nämlich
nicht zuletzt von der Interpretation bzw. der Durchsetzungsfähigkeit
des Arbeitsministers ab.
Ebenso die Anwendung eines über 50 Jahre alten Gesetzes, das in
letzter Minute für besonders schlecht bezahlende, aber kaum
tarifgebundene Bereiche wie Landwirtschaft und Fleischverarbeitung
aus dem Hut gezaubert wurde.
Von solchem fast schon alltäglichen Hader abgesehen ist die
grundsätzliche Unzufriedenheit insbesondere der Sozialdemokraten erst
recht nicht beseitigt. Und deshalb ist der Streit mit der Einigung
auch keineswegs zu Ende. Franz Münteferings kalkulierter
Zornesausbruch nach dem Verhandlungsmarathon zeigt, dass Kompromisse
in der "zweiten Halbzeit" der großen Koalition nur noch als minimale
Übergangslösungen verstanden werden, bis die jeweils "richtige"
Politik wieder durchgesetzt werden kann. Keine Chance mehr für echte
Reformen bis zur nächsten Bundestagswahl!
Originaltext: Wiesbadener Kurier
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Rückfragen bitte an:
Wiesbadener Kurier
Melanie Wied
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