(Registrieren)

Rußfilterförderung: Kein Anfang in Sicht

Geschrieben am 12-04-2006

Berlin (ots) -

- Querverweis: Ein Dokument liegt in der digitalen
Pressemappe zum Download vor und ist unter
http://www.presseportal.de/dokumente abrufbar -

Allianz "Kein Diesel ohne Filter" wirft der Politik
verantwortungslosen Umgang mit der Gesundheit der Bürger vor - Seit
fast fünf Jahren torpediert die Autoindustrie erfolgreich die
Förderung von Partikelfiltern - Das Schwarze-Peter-Spiel zwischen
Bund und Ländern geht weiter.

Berlin, 12. April 2006: Während in deutschen Städten die
Feinstaub-Grenzwerte immer häufiger überschritten werden, tritt die
Politik bei der Entscheidung über ein wirksames Fördersystem für
rußfreie Diesel-Fahrzeuge weiter auf der Stelle. Die
Automobilindustrie verfolgt mit stiller Beharrlichkeit ihre
Verzögerungsstrategie und kann hoffen, Dieselfahrzeuge ohne Rußfilter
noch jahrelang als Spitzenprodukte deutscher Automobiltechnologie
anpreisen zu können. Gleichzeitig kommt die für die Entlastung hoch
belasteter Ballungszentren dringend notwendige Nachrüstung von
Altfahrzeugen nicht in Gang und ebenso wenig das erhoffte
Konjunkturprogramm für mittelständische Filterhersteller und
Autowerkstätten. Fast fünf Jahre nachdem der Bundesrat erstmals
"steuerliche Regelungen" zur Filterförderung verlangt hat, zeichnet
die "Allianz kein Diesel ohne Filter" ein deprimierendes Bild von der
Durchsetzungsfähigkeit der deutschen Politik gegenüber gut
organisierten Partikularinteressen. Das Aktionsbündnis aus Umwelt-
und Verbraucherverbänden, Verkehrs- und Automobilclubs dokumentiert
in einer heute der Presse präsentierten "Chronologie einer Blockade"
die jahrelange Hängepartie um den Rußfilter.

"Die Große Koalition ist auf dem besten Weg, sich in denselben
Fallstricken zu verheddern, wie vor ihr schon Rotgrün. Das
Schwarze-Peter-Spiel zwischen Bund und Ländern geht weiter", so der
Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH), Jürgen
Resch. "Die Tatsache, dass sich die seit Jahren von beiden großen
politischen Lagern versprochene Filterförderung trotz klarster
Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat erneut verzögert,
beweist eindrücklich die Blockademacht der Autolobby." Resch
erinnerte an die andauernden Angriffe "autophiler Landespolitiker"
im Bundesrat gegen eine wirksame Regelung zur raschen Förderung von
Nachrüstfiltern für Altfahrzeuge. Auch der für Mitte März
angekündigte Vorschlag der Bundesregierung existiere bisher nicht
einmal als Referentenentwurf des federführenden Finanzministeriums.
Nach Informationen der Allianz leistet insbesondere Verkehrsminister
Tiefensee Fundamental-Widerstand gegen jede wirksame Förderung.

Für die Allianz "Kein Diesel ohne Filter" forderte Resch einen
wirksamen Anreiz von 600 Euro für die Nachrüstung mit geregeltem
Partikelfilter ("Vollfilter") und von 300 Euro für ungeregelte Filter
spätestens ab 1. Juli 2006. Zur Gegenfinanzierung sollen nach den
Vorstellungen des Aktionsbündnisses alle neuen Diesel-Pkw, die die
EU-Prenorm von 5 Milligramm PM10 pro Kilometer (mg/km) nicht
erreichen, bei der Erstzulassung mit einer einmaligen "Malussteuer"
von 600 bis 1000 Euro belastet werden. Darüber hinaus sollen alle
Diesel-Pkw der Eurostufen 1 bis 4 um durchschnittlich 30 Euro pro
Jahr höher belastet werden. So könne die Aufkommensneutralität
hergestellt werden, deren Fehlen die Länder bisher immer zum Anlass
oder Vorwand ihrer Blockade genommen hätten.

Gerd Lottsiepen, der verkehrspolitische Sprecher des Verkehrsclub
Deutschland e. V. (VCD), kritisierte scharf das erneute Hick-Hack der
vergangenen Wochen. Die Nachrüstung mit Partikelfiltern werde weiter
verschleppt, der Bundesrat tue alles, um eine gesonderte
Kennzeichnung von sauberen Diesel-Pkw mit Partikelfilter zu
verhindern. "Betonpolitiker in SPD und Union, industriehörige
Bundesländer und ängstliche Autohersteller schütten schnell härtenden
Zement in die Umwelt- und Gesundheitspolitik", sagte Lottsiepen. Die
Politik sei damit nicht nur formal, sondern in den realen
Innenstädten mitverantwortlich dafür, dass auch in Zukunft Menschen
vorzeitig an den Folgen der Feinstäube sterben und Kinder an
Atemwegserkrankungen leiden.

Der Bundesrat hatte auf Initiative Bayerns am Freitag vergangener
Woche (7. April 2006) die von der Bundesregierung beschlossene
Plakettenverordnung dahingehend geändert, dass gefilterte Diesel-Pkw
keine eigene Plakette mehr erhalten, sondern die gleiche wie
ungefilterte Fahrzeuge, die die Euro-4-Norm erfüllen. Lottsiepen
forderte die Bundesregierung und insbesondere Umweltminister Sigmar
Gabriel auf, diese Änderung zurückzuweisen. Weil nach dem Beschluss
der Länderkammer das Inkrafttreten der Verordnung ohnehin noch einmal
um fünf Monate hinausgezögert werden solle, bleibe genügend Zeit für
eine Neuformulierung der Verordnung. "Die Gesundheit der Menschen
gehört ins Zentrum der Debatte und nicht das peinliche Interesse von
Autoherstellern, die Imageverluste fürchten, wenn ihre ein oder zwei
Jahre alten Diesel-Pkw auch optisch mit der nur zweitbesten Plakette
als Rußschleudern kenntlich werden", so Lottsiepen.

Günther Hubmann, Verkehrsexperte bei Greenpeace, nannte es "ein
skandalöses Signal", wenn die angeblich besten Autobauer der Welt
zwar immer mehr Mittelklasse-Pkw anböten, die bei 250 km/h künstlich
abgeregelt würden, die aber nicht in der Lage seien, diese Autos "mit
einer Technik auszustatten, die die Menschen schützt, die nicht in
diesen Raketen sitzen, sondern draußen mit den Folgen konfrontiert
sind". Die von der Feinstaubbelastung existenziell betroffenen
Menschen hätten keine Lobby, weil sie nicht wie die Verkehrstoten
unmittelbar als Opfer des Straßenverkehrs erkennbar seien, sagt
Hubmann. Deshalb sei es die Pflicht der Politik für sie Partei zu
ergreifen, "statt sich von BMW die dem Konzern genehmen Verordnungen
aufschwatzen zu lassen."

Werner Reh, Experte für Verkehrspolitik beim Bund für Umwelt und
Naturschutz e.V. (BUND), erinnerte daran, dass Bund und Länder die
Kommunen seit Jahren mit den Feinstaubproblemen allein ließen. Ohne
einen tragfähigen Plakettenvorschlag könnten die Kommunen die für
eine wirksame Ansenkung der Feinstaublasten in den Innenstädten
unverzichtbaren Umweltzonen nicht einrichten. "Die Kommunen brauchen
endlich Planungssicherheit für die Einrichtung von Umweltzonen, aus
denen rußende Dieselfahrzeuge herausgehalten werden können," so Reh.
Verstörend seien vor allem die Querschüsse gegen jede rasche
Filtereinführung aus den südlichen Bundesländern. "Bayern und
Baden-Württemberg haben nicht nur eine florierende Autoindustrie",
sagte Reh, "München und Stuttgart sind auch bei der
Feinstaubbelastung Spitze."

Dietmar Oeliger, der Verkehrsexperte des Naturschutzbund
Deutschland (NABU e.V.), ärgert sich, dass weder Rotgrün noch die
Große Koalition über Jahre ein einziges Instrument zur wirksamen
Reduzierung der Feinstaubbelastung auf den Weg gebracht haben. "Der
einzige wirkliche Fortschritt ist die Tatsache, dass heute die
Mehrzahl der neu zugelassenen Diesel-Pkw in Deutschland mit einem
Filter ausgestattet ist. Das bleibt allein ein Verdienst der
Aufklärungsarbeit der in der Rußfilterallianz zusammengeschlossenen
Verbände. Die Politik, deren Aufgabe es eigentlich wäre, für den
Gesundheitsschutz ihrer Bürger zu sorgen, hat daran nicht den
geringsten Anteil", so Oeliger. "Das Feilschen um die
Rußfilter-Förderung wird seit Jahren auf den Rücken der
Feinstaub-Belasteten ausgetragen. Der ganze Vorgang ist so peinlich
wie beschämend."

Oeliger fragte, ob es statthaft sei, einen Vergleich mit der
politischen Reaktion auf die Vogelgrippe zu ziehen. An der Krankheit
seien weltweit bisher etwa 100 Menschen gestorben. Um das Risiko
einer möglichen Epidemie zu verringern, seien bisher in Deutschland
etwa 300 Millionen Euro ausgegeben worden. Das sei nicht zu
kritisieren. Zu fragen sei aber, warum für die Bekämpfung der
Feinstaubbelastung "Aufkommensneutralität" absolut gesetzt werde. Die
Weltgesundheitsorganisation WHO hatte vor einem Jahr (14. April 2005)
in Berlin Zahlen veröffentlicht, wonach allein in Deutschland
jährlich etwa 17.000 vorzeitige Todesfälle verhindert werden könnten,
wenn es gelänge, die von der EU geforderten Grenzwerte hierzulande
flächendeckend einzuhalten. Die vermiedenen Kosten für die Bekämpfung
der Feinstaubfolgen würden sich nach den WHO-Untersuchungen in
Deutschland auf 18 bis 40 Milliarden Euro im Jahr summieren.

"KEIN DIESEL OHNE FILTER" ist ein breites Aktionsbündnis aus
Umwelt- und Verbraucherverbänden, Verkehrs- und Automobilclubs,
Gesundheitsexperten und Kinderschutzbund. Wissenschaftlicher Berater
ist die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf. Nach seiner
Gründung im Herbst 2002 hat sich das Bündnis zum Ziel gesetzt, durch
eine breit angelegte Aufklärungskampagne Druck auf die
Automobilindustrie und die Politik zur durchgängigen Einführung des
Dieselrußfilters auszuüben, und die Verbraucher über die Gefahren von
Dieselruß und verfügbare Filtertechnologien aufzuklären.

Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V.
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=22521
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_22521.rss2

Für Rückfragen:

Jürgen Resch, Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4, 10178
Berlin, Mobil: 0171/3649170, Fax.: 07732/9995-77, resch@duh.de

Dr. Werner Reh, BUND e.V., Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin, Tel.:
030/27586-435, Mobil: 0160/8232040, Fax.: 030/27586-440,
werner.reh@bund.net

Gerd Lottsiepen, VCD Verkehrsclub Deutschland e.V., Kochstr. 27,
10969 Berlin, Tel.: 030/28035111, Mobil: 0171/8824449, Fax:
030/28035110, gerd.lottsiepen@vcd.org

Günter Hubmann, Greenpeace e.V., Große Elbstraße 39, 22767 Hamburg,
Tel.: 040/30618-38, Mobil: 0179/5331415, Fax.: 040/30631-181,
guenter.hubmann@greenpeace.de

Dietmar Oeliger, NABU e.V., Invalidenstr. 112, 10115 Berlin, Tel.:
030/284984 0, Mobil: 0172/9201823, Fax.: 030/284984 84,
dietmar.oeliger@nabu.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

7644

weitere Artikel:
  • Studie der Allianz pro Schiene: Keine Zweckentfremdung der Regionalisierungsmittel Berlin (ots) - Berlin. Eine aktuelle Studie der Beratungsfirma SCI Verkehr im Auftrag der Allianz pro Schiene zeigt, dass die Länder die zweckgebundenen Regionalisierungsmittel tatsächlich 1:1 für den Nahverkehr ausgeben. "Die aktuelle Studie gibt zum ersten Mal einen bundesweiten Überblick über die Verwendung der Mittel. Gleichzeitig widerlegt sie Äußerungen führender Bundespolitiker, die immer wieder von einer Zweckentfremdung der Mittel in Milliardenhöhe als Rechtfertigung für die geplanten Kürzungen gesprochen hatten", so Dirk Flege, mehr...

  • Siebert: Einsatz nicht in Frage stellen Berlin (ots) - Zur Situation in Afghanistan erklärt der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Bernd Siebert MdB: Die Situation in Afghanistan ist Besorgnis erregend. Gerade nach den Anschlägen der vergangenen Tage gibt es nichts schönzureden. Trotzdem ist der Einsatz in Afghanistan richtig. Wir haben bewusst Verantwortung für die Zukunft des Landes übernommen, um es auf seinem Weg hin zu einer stabilen Demokratie zu unterstützen. Dafür waren und sind wir ebenso wie unsere Partner bereit, unsere Soldaten den mehr...

  • Berlin, 12. April 2006 31/06 BDI-Präsident Thumann: Kauders Therapievorschlag ist entwick-lungsfähig Berlin (ots) - "Die beitragsfreie Krankenversicherung für Kinder aus dem Bundeshaushalt kann ein geeigneter Baustein in einem Gesamtkonzept zur Gesundheitsreform sein." Das erklärte BDI-Präsident Jürgen R. Thumann zu den bisher bekannt gewordenen Überlegungen des Unionsfraktionsvorsitzenden zur Gesundheitsreform. "Dieser Baustein und die Festschreibung des Arbeitgeberbeitrags senken zwar die Lohnnebenkosten, aber die grundsätzliche Abkopplung der Gesundheits- von den Arbeitskosten wird damit noch nicht erreicht. Grundsätzlich muss mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: Atompolitik des Iran / Polenz warnt vor verbaler Eskalation Halle (ots) - Halle. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz (CDU), hat nach den jüngsten Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad vor einer verbalen Eskalation des Atom-Streits mit dem Iran gewarnt. Polenz kündigte gegenüber der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung" (Donnerstag-Ausgabe) zugleich an, er werde mit der grünen Bundestagsabgeordneten Marieluise Beck vom 2. bis zum 4. Mai nach Teheran reisen. Beck gehört dem Auswärtigen Ausschuss an. "Ich warne davor, dass mehr...

  • N24-Korrespondent Hans Schregelmann zum Chefredakteur der Passauer Neuen Presse berufen Stellvertretender Leiter der N24-Parlamentsredaktion verlässt den Nachrichtensender zum 1. Juli 2006 Berlin (ots) - Berlin, 12. April 2006. Hans Schregelmann (47), der stellvertretende Leiter der Parlamentsredaktion des führenden deutschen Nachrichtensenders N24, wird Chefredakteur der Passauer Neuen Presse. Die Berufung von Schregelmann an die Spitze der renommierten bayerischen Zeitung mit bundesweiter Relevanz erfolgt zum 1. Juli 2006. Er tritt dort die Nachfolge von Michael Backhaus an, der im Juli 2005 Passau verließ und als stellvertretender Chefredakteur zur "Bild" und "Bild am Sonntag" wechselte. N24 Chefredakteur Peter Limbourg: mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht