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Letzter Aufruf an Koalitionsfraktionen: Verbraucherschutz schützen!

Geschrieben am 24-05-2007

Berlin (ots) - Nach Zurückweisung durch den Bundespräsidenten
landet das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) heute Nacht erneut im
Bundestag - Deutsche Umwelthilfe nennt Entwurf "insgesamt mangelhaft"
und verlangt grundlegende Überarbeitung - Appell an Abgeordnete,
nicht die Geheimniskrämerei von Unternehmen höher anzusiedeln als den
Transparenzanspruch der Verbraucher

Auch im zweiten Anlauf scheint die Große Koalition entschlossen,
beim Verbraucherschutz auf "Geheimniskrämerei statt Transparenz" zu
setzen. Darauf hat die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) im Vorfeld
der erneuten ersten Lesung des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG)
hingewiesen und eine grundlegende Überarbeitung verlangt. Nachdem
Bundespräsident Horst Köhler sich im Dezember 2006 wegen
verfassungsrechtlicher Bedenken geweigert hatte, das von der DUH und
anderen Verbraucherschutzorganisationen heftig kritisierte Gesetz zu
unterzeichnen, formulierte die Regierung das Gesetzeswerk ohne
substanzielle Änderungen um. Der neue Koalitionsentwurf steht formal
um 4 Uhr in der Nacht vom heutigen Donnerstag auf Freitag auf der
Tagesordnung des Bundestags. Die Reden werden "zu Protokoll gegeben".

"Demonstrativer kann eine Regierung ihre Geringschätzung von
Verbraucherrechten kaum dokumentieren", erklärte
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. "Man kann es angesichts
dieses Gesetzes durchaus wörtlich nehmen: Die Verbraucherinformation
soll in Deutschland im Dunkeln bleiben und folgerichtig in
pechschwarzer Nacht verabschiedet werden." Resch warf
Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) und insbesondere den
beiden Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD vor, sie haben die mit
der Zurückweisung durch den Bundespräsidenten verbundene Chance auf
substanzielle Verbesserungen des insgesamt mangelhaften Gesetzes
nicht genutzt. "Während die Verbraucher in anderen europäischen
Staaten wie in Dänemark und Großbritannien in vorbildlicher Weise
über alle Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen zeitnah informiert
werden, geht Deutschland den umgekehrten Weg und hat ein Herz für die
Geheimhaltungsbedürfnisse der Gammelfleischhändler."

Der neue Entwurf begnüge sich mit einer überarbeiteten Regelung
formaler Zuständigkeiten bei Informationsbegehren - Horst Köhler
hatte bemängelt, dass den Kommunen nicht über ein Bundesgesetz,
sondern nur über Landesgesetze diese Aufgaben übertragen werden
dürften. Aus den Fleisch- und Lebensmittelskandalen des letzten
Jahres habe die Regierung immer noch keine Konsequenzen gezogen,
meinte Resch und erinnerte an die offenbar vergessenen Leitsätze zur
Verbraucherpolitik in der Koalitionsvereinbarung von Union und SPD,
wonach "ein Gleichgewicht zwischen Verbraucher- und
Wirtschaftsinteressen" zu suchen sei und Verbraucher und Wirtschaft
sich "auf gleicher Augenhöhe" gegenüberstehen sollten.

"Auch dieser zweite Versuch des Verbraucherschutzministers und der
Großen Koalition für ein VIG kann nur als Entscheidung zugunsten von
Geheimniskrämerei und gegen dringend notwendige Transparenz gewertet
werden", kritisierte die Leiterin Recht und Verbraucherschutz der
DUH, Cornelia Ziehm. So gebe es auch in der Neufassung keine
Verpflichtung des Staates, die Öffentlichkeit - etwa bei
Lebensmittelskandalen - unmittelbar zu informieren oder zu warnen.
Außerdem beschränke sich der Anwendungsbereich des VIG allein auf den
Lebensmittelsektor, Textilien oder Dienstleistungen seien weiterhin
ausgenommen. Als "mit moderner Verbraucherschutzpolitik schwerlich
vereinbar" bezeichnete Ziehm die Tatsache, dass "es einen
gesetzlichen Informationsanspruch gegenüber privaten Unternehmen
weder für Verbraucherinnen und Verbraucher noch für
Verbraucherorganisationen geben soll."

Zudem werde das VIG bei Informationsbegehren von Verbraucherinnen
und Verbrauchern gegenüber Behörden wegen ausladender
Ausnahmetatbestände "faktisch zu einem
Informationsverhinderungsgesetz". Wie bereits im ersten Entwurf
sollen die Unternehmen weiterhin selbst definieren können, was ein
Betriebs- und Geschäftsgeheimnis ist und deshalb nicht herausgegeben
werden muss. Nach dem Gesetzeswortlaut können sie sogar noch
nachträglich Geschäftsgeheimnisse geltend machen, wenn sie von einer
konkreten Bürgeranfrage Kenntnis erlangen. Begründen müssen sie die
Einstufung als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis nicht - auch nicht
gegenüber den Behörden. Schließlich ist es den von Anfragen
betroffenen Unternehmen erlaubt, auch "sonstige wettbewerbsrelevante
Daten" geheim zu halten. Mit diesem in keiner Weise näher definierten
Begriff werde "dem Missbrauch endgültig Tür und Tor geöffnet und das
´Leitbild des mündigen Bürgers´, auf das sich Horst Seehofer sonst
gern beruft, vollends ad absurdum geführt", sagte Ziehm.

Besonders prekär: Das VIG in der vorliegenden Fassung sei im
Lebensmittelbereich sogar geeignet, gegenüber Bundesbehörden die nach
dem so genannten Informationsfreiheitsgesetz (IFG) schon heute
existierenden Informationsansprüche einzuschränken. Denn das IFG
kenne derart weit gefasste Ausnahmetatbestände wie im VIG aus gutem
Grunde nicht. Vor diesem Hintergrund komme die Gesetzesbegründung,
wonach das neue VIG das Recht der Verbraucherinformation erweitere,
"einer Verdummung von Verbraucherinnen und Verbrauchern gleich",
erklärte Ziehm. In der vorgelegten Form könnten das VIG "nur
Abgeordnete verabschieden, die das Geheimhaltungsinteresse von
Unternehmen höher ansiedeln als den Transparenzanspruch von
Verbraucherinnen und Verbrauchern. Dann sollten sie das aber auch
ehrlich so sagen und nicht von Fortschritten beim Verbraucherschutz
reden", schloss Ziehm.

Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V.
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=22521
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_22521.rss2

Pressekontakt:
Für Rückfragen
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin; Tel.: Mobil.: 0171 3649170, Fax.: 030 258986-19,
E-Mail: resch@duh.de

Dr. Cornelia Ziehm, Leiterin Recht und Verbraucherschutz, Hackescher
Markt 4, 10178 Berlin; Tel.: 030 258986-0, Fax.: 030 258986-19,
Mobil: 0160 5337376, E-Mail: ziehm@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin; Tel.: 030 258986-0, Fax.: 030 258986-19,
Mobil: 0171 5660577, E-Mail: rosenkranz@duh.de


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