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Der Tagesspiegel: Geplanter Gedenkgottesdienst für verstorbenen Filbinger löst Kontroverse aus

Geschrieben am 14-04-2007

Berlin (ots) - Der für Dienstag geplante Gedenkgottesdienst, den
die Gemeinde der Sankt Hedwigs Kathedrale für den verstorbenen
ehemaligen Ministerpräsidenten von Baden-Würtemberg, Hans Filbinger,
ausrichtet, hat zu kontroversen Reaktionen in der politischen
Öffentlichkeit der Bundeshauptstadt geführt. Beim Gottesdienst will
Prälat Wolfgang Knauft in einer Ansprache daran erinnern, dass der
Verstorbene in seinem früheren Amt als NS-Marinerichter den Berliner
Priester Karl Heinz Möbius vor der Vollstreckung eines Todesurteils
bewahrt habe.

Dem Senat ist von dem Gottesdienst nichts bekannt. "Zu
Veranstaltungen der katholischen Kirche gibt es keinen Kommentar",
sagte Senatssprecher Günter Kolodziej. Deutlicher wird SPD-Landeschef
Michael Müller. "Filbinger hat bis zum letzten Tag des ,Dritten
Reiches' als Richter in hervorgehobener Position NS-Recht gesprochen,
ohne sich davon zu distanzieren. Im Gegenteil: Auch in der
Nachkriegszeit ist Filbinger mit seiner Geschichte unkritisch
umgegangen." Aus diesem Grund sei es "nicht nachvollziehbar", warum
ein Gedenkgottesdienst stattfinden solle.

FDP-Landeschef Markus Löning wertete den Gottesdienst für
Filbinger als "Desaster". Filbinger stehe für die Unbelehrbaren aus
der NS-Zeit. "Er war ein Uneinsichtiger, der sich nicht zu seiner
persönlichen Schuld bekannt hat."

Auch Grünen-Fraktionschefin Franziska Eichstädt-Bohlig hält eine
"posthume Ehrung Filbingers für nicht angemessen". Eine Gedenkandacht
sei "sehr makaber, weil er nachgewiesenermaßen an Todesurteilen
beteiligt war."

Vorsichtiger formulierte es CDU-Generalsekretär Frank Henkel:
Filbinger sei eine "differenziert zu betrachtende Persönlichkeit. Man
sei deshalb gut beraten, "alle Facetten seines Wirkens" zu
berücksichtigen.

Die Andacht sei schon seit Tagen geplant, sagte gestern der
Sprecher des Erzbistums Berlin, Stefan Förner. Keinesfalls handle es
sich um eine "Trotzreaktion" auf die Kritik am Filbinger-Nachruf des
baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger. Es
gehe auch nicht darum, Filbingers Beteiligung an Todesurteilen "zu
beschönigen".
Der Gedenkgottesdienst ist laut Förner keine Veranstaltung des
Erzbistums, sondern erfolgt auf Initiative des Prälaten Wolfgang
Knauft und der Domgemeinde. Knauft war bis zu seiner Pensionierung
1996 für die Kirchenmedien zuständig und gilt als Experte für das
Schicksal der von den Nazis verfolgten Priester. Viele Katholiken
wussten gestern allerdings noch nichts von dem Gedenkgottesdienst.
Auch Hans-Joachim Meyer, Präsident der höchsten Laienorganisation,
des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, war nicht informiert.
Er selbst distanziere sich kritisch "von der Unbelehrbarkeit
Filbingers", betonte Meyer. Eine Gedenkandacht für einen Toten sei
andererseits "immer gut". Beides müsse man "ausdrücklich
auseinanderhalten". Der Fall des von Filbinger geretteten Priesters
Möbius war ihm bisher nicht bekannt.

Filbinger berichtete in seinem Buch "Die geschmähte Generation"
über Aussagen von Pfarrer Möbius, der ihm in Briefen für seine Hilfe
gedankt hat: Möbius wurde 1944 wegen "Zersetzung der Wehrkraft" zum
Tode verurteilt. Dieses Urteil wurde später "dank Filbingers
Intervention" aufgehoben, so Prälat Wolfgang Knauft. Die Schreiben
des Pfarrers sind im Diözesanarchiv Berlin dokumentiert. Knauft: "Es
ist eine Pflicht der Gerechtigkeit, Filbinger dafür zu danken - auch
wenn er ansonsten im Strudel der Kritik steht."

Originaltext: Der Tagesspiegel
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=2790
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_2790.rss2

Pressekontakt:
Der Tagesspiegel
Chef vom Dienst
Thomas Wurster
Telefon: 030-260 09-308
Fax: 030-260 09-622
cvd@tagesspiegel.de
 


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