(Registrieren)

AZM: Kommentar zur Grabrede Oettingers

Geschrieben am 12-04-2007

Mainz (ots) - Nihil nisi bene, wie der Lateiner sagt. Nichts, es
sei denn, Gutes, solle über Tote gesprochen werden. Häufig ergänzt
wird diese finale Volksweisheit von der Behauptung, niemals werde
mehr gelogen als in Grabreden. Auch da ist vermutlich etwas dran;
dennoch darf eine solche Erkenntnis nicht Basis des Nachrufs eines
Ministerpräsidenten auf einen seiner Vorgänger sein. Was der
baden-württembergische Landesvater Günther Oettinger sich ohne jede
erkennbare Not bei der Beisetzung Hans Filbingers diesbezüglich
geleistet hat, lässt nun folgerichtig die Wogen der Empörung
hochgehen und steht in hartem Kontrast zum sonst so sorgfältig
gepflegten Bemühen des CDU-Politikers um stilsicheres Auftreten in
der Öffentlichkeit. Dabei wäre alle Aufregung wohl nur halb so groß,
wenn der Grabredner auf den ehemaligen Marinerichter als solchen
überhaupt nicht eingegangen wäre. Dies mit dem unterstellten
Hinweis, dass das Thema mit dem damit in unmittelbarem Zusammenhang
stehenden Ausscheiden Filbingers aus dem Amt als erledigt betrachtet
werden kann, und zwar seit fast dreißig Jahren. Oettinger, warum auch
immer, tat aber genau das Gegenteil: Er ordnet den Verstorbenen dem
Kreis der Gegnerschaft Adolf Hitlers zu. Das hat man so bislang noch
nicht gehört. Stattdessen hatte Filbinger stets darauf beharrt, das
zu Kriegszeiten von ihm gesprochene Recht gegen Deserteure sei nach
geltendem Gesetz nun mal Recht gewesen und bleibe das auch. Oettinger
lässt das offenbar gelten und greift sogar eine Selbsteinschätzung
des früheren Militärrichters auf, der über sich sagte: "Durch den
Filbinger ist kein einziger Mensch ums Leben gekommen." Das stimmte,
formal betrachtet, war und ist aber kühn, angesichts der Faktenlage,
die ihn zumindest in Verbindung mit mehreren Todesurteilen bringt.
NS-Opfer drehen sich im Grab! Es sind bei alledem rückblickend aber
weniger die Urteile aus dunkler Zeit, die so empören, als die
Uneinsichtigkeiten derer, die sie fällten.
Ministerpräsident Oettinger hat dem noch eins draufgesetzt. Wem will
er bloß imponieren?

Originaltext: Allgemeine Zeitung Mainz
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=65597
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_65597.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Allgemeine Zeitung Mainz
Melanie Wied
Telefon: +49-(0)6131/48-5987
Fax: +49-(0)6131/48-5868
crossmedia@vrm.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

64598

weitere Artikel:
  • Südwest Presse: Kommentar: Filbinger Ulm (ots) - "Über Tote rede nichts außer Gutem", lautet ein lateinisches Sprichwort. Im Fall des verstorbenen Hans Filbinger scheint das nicht zu gelten. Die Worte von Ministerpräsident Günther Oettinger, Filbinger sei kein Nazi gewesen und habe als Marinerichter auch niemand zu Tode gebracht, haben eine Welle der Entrüstung ausgelöst. Und dies, obwohl das nicht falsch war. Lässt man einmal Schriftsteller Rolf Hochhuth beiseite, der offenbar nicht mehr genau weiß, mit welchen Fakten er Filbinger seinerzeit zu Fall gebracht hat, so hat mehr...

  • WAZ: Schäuble will Gesetze verschärfen: Eine Republik unter Generalverdacht - Leitartikel von Angela Gareis Essen (ots) - Bei der Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität scheint die Republik allmählich unter Generalverdacht zu geraten. Wolfgang Schäuble versucht beharrlich, sein Misstrauen gegenüber allen Bürgern auf den Staat zu übertragen. Zwar wird ihm die Verschärfung von Gesetzen nicht im gewünschten Ausmaß gelingen, aber man sollte sich die Vorstellungen des Innenministers in der Summe vor Augen führen, um den Punkt zu ahnen, an dem die Bevölkerung das Misstrauen des Staates erwidert. Wenn die Polizei jederzeit auf die digitalisierten mehr...

  • Westfalenpost: Datenschutz-Reflex Gegen den Griff zu den Passfotos Hagen (ots) - Von Peter Tendler Fast wöchentlich zaubert Innenminister Schäuble einen neuen Plan hervor, der die Sicherheit des Landes und ihrer Bürger verbessern soll. Und es ist kaum mehr als ein Reflex, den unsere Datenschützer zeigen, wenn sie den Überwachungsstaat an die Wand malen und alle Freiheit in Deutschland untergehen sehen. Dabei wären es manche Pläne schon wert, genau hinzusehen und möglichen Nutzen gegen Schaden abzuwägen. Das gilt auch für den Plan, der Polizei einen automatischen Zugriff auf die Fotos und Daten in mehr...

  • LVZ: Leipziger Volkszeitung zur Oettinger-Rede Leipzig (ots) - Lasst die Toten ruhen, sagt das Sprichwort. Im Fall des verstorbenen früheren Ministerpräsidenten Hans Filbinger ist die Totenruhe empfindlich gestört. Selbst viele CDU-Parteifreunde dürften ihren Ohren kaum getraut haben, als der Stuttgarter Regierungschef Oettinger den NS-Marinerichter posthum zum Hitler-Gegner verklärte. Filbinger in einer Reihe mit Bonhoeffer, Stauffenberg und den Geschwistern Scholl - nicht einmal schwäbische Cleverness reicht aus, sich diese neu zusammengesetzte Widerstandsgalerie ernsthaft vorzustellen. mehr...

  • Stuttgarter Nachrichten: zu Oettinger/Filbinger Stuttgart (ots) - Hans Filbinger ist begraben. Sein Name aber sorgt weiter für Gesprächsstoff. Ministerpräsident Günther Oettinger, sonst ein Feind klarer Positionierung, wollte mit seinen Äußerungen zu Filbingers NS-Vergangenheit offenbar einen Schlussstrich ziehen - und hat stattdessen neuen Streit angezettelt. Welche Motivation trieb Oettinger an, sich derart polarisierend zu positionieren? Vieles deutet darauf hin, dass er den rechten CDU-Rand bedienen wollte und deshalb das Manuskript seines Redenschreibers nicht korrigieren wollte. mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht