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LVZ: Die Leipziger Volkszeitung zu Merkel/Polen -

Geschrieben am 16-03-2007

Leipzig (ots) - Von Bernd Hilder. Als Diplomatin hinterließe Erika
Steinbach wohl häufiger große Scherbenhaufen. Aber wenn die
Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, die auch
Menschenrechtsbeauftragte der Unionsfraktion im Bundestag ist, zu dem
Schluss kommt, in Polen hätten derzeit "Politiker mit zum Teil
skandalösen Positionen das Sagen", kann ihr nicht ernsthaft
widersprochen werden. Vergleiche der polnischen Regierungsparteien
mit der NPD sind unglücklich. Das Sündenregister der in Warschau
regierenden Kaczynski-Brüder aber ist beachtlich: Vertreter der
Regierungsparteien schleudern Verbalinjurien gegen Homosexuelle oder
Juden. Der der deutsch-polnischen Versöhnung dienende Jugendaustausch
wird behindert und Stimmungen gegen das Nachbarland werden geschürt.
Die Kaczynskis fühlen sich von Deutschland genauso bedroht wie vom
wiedererstarkten Großmachtgehabe Moskaus. Solche tatsächliche oder
politisch instrumentalisierte Angst vor den Deutschen mag historisch
verständlich sein, aber angesichts deutscher Friedenspolitik seit
1945 ist sie in dieser Aggressivität nicht gerechtfertigt.
Stattdessen müssen sich die Regierenden in Warschau fragen, ob sie
sich nicht zum rückwärts gewandten Problemfall in der EU entwickeln -
oder gar zum miesepetrigen Spaltpilz.
Die polnische Eiszeit bedroht nicht nur das Verhältnis zu
Deutschland, sondern das Klima in der ganzen Union. Deshalb ist es
gut, wenn Angela Merkel als EU-Ratspräsidentin die Sache nicht hinter
dem warmen Ofen aussitzt, bis sich das Kaczynski-Problem mit den
nächsten Wahlen vielleicht von selbst erledigt, sondern als
freundlicher Eisbrecher im Nachbarland unterwegs ist. Dabei wäre eine
spürbare deutsch-polnische Klimaerwärmung schon ein großer Erfolg.
Ein Durchbruch etwa in der Frage der europäischen Verfassung ist kaum
zu erwarten. Trotz des notorischen Misstrauens gegen Deutschland muss
der polnischen Regierung klar sein, dass Warschau auf Dauer nicht
fast genauso viel Abstimmungsmacht in der EU haben kann wie der
westliche Nachbar mit doppelt so großer Bevölkerung. Dies wäre eine
unakzeptable Diskriminierung der deutschen Bürger. Knickt die
Kanzlerin hier ein, verliert sie daheim an Glaubwürdigkeit.
Unterschiedliche Positionen im Irak-Krieg oder deutsche Pläne einer
Erinnerungsstätte für zu Unrecht aus ihrer Heimat Vertriebene dürfen
im vereinten Europa nicht zu einer verstockten und brüsken
Blockade-Politik führen, wie sie Warschau inszeniert. Aber auch die
Polen sollten gelegentlich mit mehr deutschem Verständnis rechnen
dürfen. Die sinnvolle Ostsee-Pipeline zwischen Russland und
Deutschland zu bauen, ohne Warschau einzubinden, war Ausdruck
Schröderscher Unsensibilität. Gegenüber Moskau müssen die EU-Nachbarn
Polens Energiesicherheit stärken. Unverständlich sind auch die
Attacken einiger deutscher Politiker gegen die Stationierung eines
US-Raketschutzschildes in Polen. Dieses System schützt ganz Europa
vor unberechenbaren und aufrüstenden Staaten wie Iran. Finden Merkel
und die Kaczynskis den richtigen Gesprächston nach langen
Dissonanzen, kann viel erreicht werden. Dabei ist vornehmlich
Warschau am Zug. Denn unter friedlichen EU-Nachbarn gilt: Der Ton
macht die Musik.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6351
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6351.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/218 11558


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