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Aachener Nachrichten: Kommentar zu "Cicero"-Urteil: Bis hierhin und nicht weiter

Geschrieben am 27-02-2007

Aachen (ots) - Von Georg Müller-Sieckarek / Es ist ein gutes
Urteil, und es kann in seiner Bedeutung für den Rechtsstaat wie die
Demokratie schwerlich überschätzt werden. Mit seiner Entscheidung im
Fall "Cicero" hat das Bundesverfassungsgericht den Razzien in
Redaktionen einen Riegel vorgeschoben - endlich. Und eine Linie in
den Sand gezogen: bis hierhin und nicht weiter. Diese
höchstrichterliche Nachhilfe ist mehr als überfällig gewesen. Längst
war es nämlich übereifrigen Staatsanwälten landauf landab zur
schlechten Gewohnheit geworden, Medien mit Durchsuchungsaktionen zu
überziehen. Der Deutsche Journalisten-Verband dokumentiert seit 1987
fast 180 Fälle von Durchsuchungen und Beschlagnahmen - Tendenz
steigend.
Vordergründig ging und geht es stets um den strafbaren Bruch von
Dienstgeheimnissen. De facto aber führt das unweigerlich zu einer
Kriminalisierung kritischer, unbequemer Journalisten - und rührt
damit an den Kern der Pressefreiheit: Denn wer Material druckt oder
sendet, das der Staat aus mehr oder minder wohlerwogenen Gründen für
geheimhaltungsbedürftig erklärt hat, stand bislang stets mit einem
Bein in der
Anklagebank.
Karlsruhe bestätigt nun, was Verleger und Journalisten unisono seit
Jahren beklagen: Diese Praxis ist eindeutig verfassungswidrig. Nicht
allein, dass sie aus Journalisten zwangsläufig Komplizen einer
vermeintlichen Straftat macht. Sie gefährdet vor allem das Vertrauen
zwischen Presse und Informanten - und das ist elementar. Denn nur wer
sich des Quellenschutzes wirklich sicher sein kann, wird auch in
Zukunft bereit sein, heißes Material an die Medien weiterzureichen.
Gemessen am internationalen Standard führt der investigative
Journalismus hierzulande ohnehin eine betrübliche Randexistenz. Die
Inflation von Durchsuchungsaktionen - von "taz" und "stern" bis
"Monitor" und "Cicero" - war alles andere als geeignet, daran etwas
zu ändern.
Schallende Ohrfeige
Dass es bei Geheimdienstlern, PR-Strategen und Behördenchefs wenig
Begeisterung entfacht, wenn brisante Akten und Dossiers den Weg in
Redaktionen und die Öffentlichkeit finden, verwundert nun wirklich
niemanden. Nun, sie werden es künftig wohl still hinnehmen müssen.
Demokratie lebt von der Kontrolle. Insofern ist das Urteil ein Sieg
auch für die Freiheit aller; es ist zugleich eine Niederlage für
eilfertige Ankläger und amtliche Vertuscher; und es ist eine
schallende Ohrfeige für Politiker wie Otto Schily, der als
(Verfassungs!)-Minister das hemmungslose Treiben eben dieser
Staatsanwälte im Fall "Cicero" noch meinte vehement verteidigen zu
müssen.
Mitunter kann das Wirken des Bundesverfassungsgerichts wahrlich ein
Segen sein.

Originaltext: Aachener Nachrichten
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=61202
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_61202.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Aachener Nachrichten
von Wilpert Wolfgang
Telefon: +49(0)241/510 1418
w.vwilpert@zeitungsverlag-aachen.de


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