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Westdeutsche Zeitung: Gerechtigkeit als Handelsware = Von Peter Kurz

Geschrieben am 25-01-2007

Düsseldorf (ots) - Und wieder lässt man die Großen laufen. Erst
Ackermann, Esser und Co, die sich mit einer Einstellung gegen
Geldauflage aus dem Mannesmann-Prozess herausschleichen konnten. Und
nun Peter Hartz, der einen Deal, eine Absprache mit dem Gericht
aushandeln konnte: Geständnis gegen eine Strafe auf Bewährung. Das
macht Millionen Menschen wütend, für die der Name Hartz vor allem für
ihr schmales Arbeitslosengeld-II-Budget steht. Dieser Mann kommt so
billig davon?

Dieser Mann das ist der falsche Ansatz. Man mag mit Fug und Recht
das milde Urteil kritisieren. Aber nicht aus bloßer Antipathie gegen
den Angeklagten. Kritikwürdig ist vielmehr das Verfahren als solches:
der Deal zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Angeklagtem,
aufgrund dessen das Urteil im groben Rahmen schon vor der Verkündung
feststand.

Doch auch wer das kritisiert, muss wissen: Diese Art von
Absprachen sind zwar (noch) nicht gesetzlich geregelt, wurden vom
Bundesgerichtshof aber längst erlaubt. Sie sind alltägliche Praxis
vor unseren Strafgerichten. Und diese Praxis hat ja auch einigen
Charme. Gewinnen denn nicht alle bei dieser Verfahrensweise? Das
Gericht erspart sich einen komplizierten Prozess, kann sich anderen
Akten zuwenden. Der Staatsanwalt erhält über das Geständnis von Hartz
Munition für die noch anstehenden Prozesse - vor allem den gegen
Ex-VW-Betriebsratschef Volkert als mutmaßlichem Haupt-Spitzbuben der
Affäre. Und Hartz selbst hat sich nicht nur eine höhere Strafe
erspart, sondern auch peinliche Gegenüberstellungen mit als Zeuginnen
befragten Prostituierten.

Nur Gewinner? Keineswegs. Was leidet, ist unser aller Gefühl, dass
es vor Gericht mit rechten Dingen zugeht. Glaubwürdigkeit und
Akzeptanz des Rechtsstaats bröckeln, wenn die Überlastung der
Gerichte als ungeschriebener Strafmilderungsgrund herhalten muss.
Wenn vor Gericht wie auf dem Basar gefeilscht wird: Biete Geständnis,
erwarte dafür milde Strafe und schnelles Verfahren. In komplizierten
Wirtschaftsprozessen können hochbezahlte Anwälte das Gericht mit der
Drohung unter Druck setzen, die Sache mit einer Unzahl von
Beweisanträgen in die Länge zu ziehen. Der Ladendieb kann das nicht.

"Zwei-Klassen-Strafrecht", unwürdiger Handel mit der Gerechtigkeit
- all das sind durchaus Argumente, den Deal vor Gericht abzulehnen.
Aber dann bitte grundsätzlich und nicht nur, weil man Hartz eine
harte Strafe gönnt.

Originaltext: Westdeutsche Zeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=62556
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_62556.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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