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Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 16. August 2010 die Konservativismus-Debatte innerhalb der Union:

Geschrieben am 15-08-2010

Bremen (ots) - Was ist heute konservativ? von Dietrich Eickmeier
Er hat sich als Kämpfer gegen den Stillstand in Berlin gesehen, als
Mahner gegen faule Absprachen beim Koalitionsvertrag von Union und
FDP bei Steuern, Schuldenabbau und Gesundheitsreform. Roland Koch,
der Machtbewusste, ist aber am Macht-Pragmatismus seiner
Parteivorsitzenden Angela Merkel gescheitert. Sie hat ihn vorgeführt,
ihm bedeutet, dass ein hessischer Ministerpräsident, auch wenn er ihr
Stellvertreter im Parteivorsitz ist, in der Berliner Koalition und in
der Bundes-CDU isoliert ist. Roland Koch hat resigniert: Am Mittwoch
nimmt er auf seiner letzten Sommerreise als hessischer Regierungschef
Abschied von der Macht. Danach fehlt der Mann, der vielen
CDU-Mitgliedern, aber auch einer breiten Öffentlichkeit seit der
Niederlage von Friedrich Merz gegen Merkel als konservatives
Aushängeschild galt. Dabei hat Koch das Konservative wohl weniger als
Ideologie, sondern mehr als machttaktische und parteistrategische
Frage gesehen. Nun führen CDU und CSU angesichts sinkender
Umfragewerte seit Wochen eine Debatte darüber, wie man denn das
Profil der C-Parteien wieder schärfen und sich den heimatlosen
Konservativen wieder nähern könnte, die sich angesichts des
pragmatischen Regierungskurses der Kanzlerin abgewendet haben. Doch
wie Unionspolitiker diese Debatte führen, ist schon erstaunlich:
Zumeist beschränkt sie sich darauf, an der Oberfläche zu kratzen. Es
klingt schon komisch, wenn mit Hermann Gröhe der Generalsekretär
einer konservativen Partei, die für sich die Mitte reklamiert, sagt,
die Konservativen müssten in der CDU eine Heimat haben. Daraufhin
schlägt er den 5. August als künftigen Gedenktag der
Heimatvertriebenen vor. Was wiederum ein konservativer
Intellektueller wie Bundestagspräsident Norbert Lammert für Unsinn
hält. Und Saarlands Ministerpräsident Peter Müller fällt als Bonbon
für Konservative auch nicht mehr ein als der Vorschlag, die deutsche
Sprache im Grundgesetz zu verankern, was die CDU ja auch schon einmal
auf einem Parteitag beschlossen hat. Die Antwort, was konservative
Politik jenseits der allgemeinen Postulate wie Lebensschutz, Familie,
Vaterlandsliebe, Sicherheit und soziale Marktwirtschaft auf konkreten
Feldern der Politik heute eigentlich ausmacht, bleibt die Union
derzeit schuldig. Ist das Festhalten an der allgemeinen Wehrpflicht
nach dem Wegfall der Bedrohung durch Massenheere aus dem Osten und
unter den Bedingungen einer internationalen Einsatzarmee tatsächlich
ein noch konservative Identität stiftendes Element, wie CSU-Chef
Horst Seehofer meint? Ist die möglichst lange Laufzeit von
Atomkraftwerken konservativ? Oder sind beides heute nicht Themen, die
auch katholisch-konservative Wähler eher verschrecken? Und ist eine
verstärkte Anwerbung ausländischer Fachkräfte konservatives, weil
wirtschaftsfreundliches Markenzeichen oder von Übel, wie die
konservativen Innenpolitiker der Union meinen? Oder hat nicht eher
Ursula von der Leyen recht? Die will zwar die Konservativen ernst
nehmen, gibt aber zu bedenken, dass sich die Welt ständig verändere,
was die CDU nicht ignorieren dürfe. Nein, die Zukunft der Union liegt
nicht in abstrakten Konservatismus-Debatten oder im Ruf nach einem
neuen konservativen Wortführer, sondern in überzeugendem
Regierungshandeln. Da müsste man sich auch in der Union jenseits
aller Sinnfragen und persönlichen Profilierungsgelüste fragen, ob die
Talfahrt der Union in den Meinungsumfragen nicht viel mehr mit dem
Zustand der schwarz-gelben Koalition und ihrer so hingebungsvoll
gepflegten Misstrauens-"Kultur" zu tun hat. berlin@weser-kurier.de

Originaltext: Weser-Kurier
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30479
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_30479.rss2

Pressekontakt:
Weser-Kurier
Produzierender Chefredakteur
Telefon: +49(0)421 3671 3200
chefredaktion@Weser-Kurier.de


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