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BERLINER MORGENPOST: Wohltaten bestellt, aber nicht bezahlt - Leitartikel

Geschrieben am 15-08-2010

Berlin (ots) - In Delmenhorst haben sie vor ein paar Jahren schon
mal nachts die Straßenlaternen abgestellt: Die Sträßchen lagen ebenso
düster da wie das umliegende niedersächsische Flachland. Anderswo, im
brandenburgischen Döbern, fehlen 1250 Euro, um das Stadtfest zu
feiern. So weit ist es gekommen mit Deutschlands Städten. Die
Finanznot raubt ihnen die Möglichkeit, ihre Funktionen zu erfüllen,
nämlich Orte des Lichts zu sein und für ihre Bürger Gemeinsamkeit zu
stiften. Seit Jahren leben in Deutschland Städte knietief im Dispo,
und zwar nicht nur im Ruhrpott oder in Ostdeutschland, wo sich einige
in der Vereinigungseuphorie mit Investitionen verhoben haben.
Vielerorts treffen nicht mehr gewählte Kommunalpolitiker die
Entscheidungen, ob Theater oder Jugendzentren geschlossen werden,
sondern anonyme Beamte in den Kommunalaufsichtsbehörden der Länder.
Diese Situation macht die kommunale Selbstverwaltung zur Farce und
gefährdet die Demokratie auf der untersten Ebene, sie demoralisiert
und entmündigt die Bürger. Dabei bilden Städte und Gemeinden den Kern
der staatlichen Ordnung. Da geht es um Kindergärten, um
Jugendzentren, um Service in Bürgerämtern und Grundsicherung für Arme
im Alter, um befahrbare Radwege und Straßen ohne lebensgefährliche
Löcher, um Schulgebäude ohne Risse in den Wänden, um Wohnungen für
Hartz-IV-Empfänger, um Spielplätze und nicht zuletzt auch um Theater
und Kultur. Viele Städte sind nicht mehr in der Lage, ihre Aufgaben
angemessen zu erfüllen. Das Land spaltet sich in Orte, wo sich die
Wohlhabenden zusammenfinden und sich ordentlich organisieren - und in
den Rest, wo die Verlierer zurückbleiben. Die Wirtschaftskrise, in
der die Gewerbesteuer eingebrochen ist, hat die Lage nur
verschlimmert. Ausgelöst wurde die Misere durch eine Politik, die
konsequent Leistungen bei den unteren Ebenen bestellt, ohne das
nötige Geld mitzuliefern. Die Spanne der Zumutungen, die die
Bundespolitik auf den Schultern der armen Vettern in den Rathäusern
abgeladen hat, reicht von vielen sozialen Wohltaten über teure
Bauvorschriften bis zum vollmundig versprochenen Ausbau der
Kindertagesstätten. Die Folgen der kommunalen Finanzkrise haben
Berlin noch nicht so hart erwischt wie andere. Als Stadtstaat darf
sich die Hauptstadt noch in Schulden flüchten, ehe sie die Axt an
Leistungen anlegt, die für viele Menschen staatliches Handeln erst
ausmachen. Natürlich gibt es in einem Etat von 22 Milliarden Euro
noch Einsparpotenziale. Wo aber zwei oder drei Milliarden herkommen
sollen, die in zehn Jahren verlangt werden, weiß niemand. Das sind
drei Mal alle Berliner Kitas. Oder der komplette Schuletat. Oder
zweimal die Polizei oder zweimal die Hochschulen. Es hilft nichts:
Auf die Dauer werden die Bundespolitiker von ihrem Ross
heruntersteigen und den Kommunen mehr Geld überlassen müssen.

Originaltext: BERLINER MORGENPOST
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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