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BERLINER MORGENPOST: Kommentar: Die Risiken liegen nun bei den Staaten Sebastian Jost über den zweifelhaften Stresstest für Banken und die Folgen daraus

Geschrieben am 23-07-2010

Berlin (ots) - Selten wurde um Zahlenkolonnen aus Bankentürmen ein
solcher Fetisch gemacht wie in den vergangenen Wochen. Dabei geht es
bei dem groß angelegten Stresstest der EU gar nicht um harte Fakten,
nicht um echte Gewinne oder Verluste - sondern um letztlich
künstliche Szenarien theoretisch möglicher Krisensituationen. Die
Aussagekraft dieser unter Laborbedingungen gemessenen Ergebnisse für
die Wirklichkeit ist per se beschränkt, zumal sie längst nicht alle
möglichen Risiken abbilden. Die Bilanzpositionen wiederum, die den
Modellrechnungen zugrunde liegen, müssten Bankenaufsehern längst
bekannt sein. Es ging also nur darum, die Lage der Banken
öffentlichkeitswirksam darzustellen - und zwar in einem möglichst
positiven Licht. In dieser Entstehungsgeschichte liegt das größte
Manko des Stresstests. Von Anfang an war er erklärtermaßen als
Beruhigungspille für die Akteure an den Finanzmärkten angelegt. Den
Eindruck eines bestellten Gefälligkeitsgutachtens verstärkten die
Staaten der Europäischen Union noch durch ein wochenlanges Hickhack
um die genauen Kriterien. Interessierte da überhaupt jemanden, wie
realitätsnah die Szenarien waren? Kam es nicht einzig und allein
darauf an, nicht mehr Banken durchfallen zu lassen als unbedingt
nötig? Dieses verbreitete Urteil ist die direkte Folge eines
chaotischen Verfahrens. Die Regierungen haben die Glaubwürdigkeit
ihrer eigenen Werbemaßnahme torpediert. Die geringe Zahl der
Ausreißer mag Investoren kurzfristig beruhigen - aber sie wird die
Zweifel an Europas Banken kaum dauerhaft ausräumen können. Zumal sich
der Erkenntnisgewinn in Grenzen hält. Dass so manche spanische
Sparkasse schlecht dasteht, war bekannt. Ebenso war klar, dass viele
andere Kreditinstitute in den vergangenen zwei Jahren tatsächlich
stabiler geworden sind. Das ist aber kein Ausdruck der eigenen Stärke
der Branche. Denn stabilisiert haben in erster Linie die Staaten:
Regierungen haben dreistellige Milliardensummen garantiert und
zugeschossen, Zentralbanken alle Geldschleusen geöffnet. Da fällt es
den Banken vergleichsweise leicht, in einem Stresstest gut
auszusehen. Das gute Abschneiden bestätigt daher vor allem eines: Die
Risiken der Banken wurden erfolgreich eine Ebene höher transferiert:
Sie liegen mehr denn je bei der öffentlichen Hand. Ein Rücktransfer
zu den Geldhäusern selbst wäre zwar dringend nötig, auf absehbare
Zeit ist er jedoch ausgeschlossen. Gerade Deutschlands Problembanken
werden noch lange nicht in der Lage sein, ihre Kapitalhilfen
zurückzuzahlen. Auch gibt es in Europa nach wie vor kein Verfahren,
um schlingernde Banken pleitegehen zu lassen, ohne dass es zu einer
Massenpanik kommt. Solange diese Probleme nicht gelöst sind, bleibt
das Bankensystem ein Risikofaktor für den Steuerzahler - daran ändert
ein bestandener Test nichts.

Originaltext: BERLINER MORGENPOST
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
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Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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