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Westdeutsche Zeitung: Köhler-Rücktritt = von Martin Vogler

Geschrieben am 31-05-2010

Düsseldorf (ots) - Wenn Politiker Konsequenzen ziehen, bis hin zum
Rücktritt, dann ist es meist angebracht, ihnen wegen ihrer
Gradlinigkeit Respekt zu zollen. Was leider bei Horst Köhler schwer
fällt. Denn er verlässt überstürzt das Schloss Bellevue. So etwas gab
es noch nie, ist auch mit dem vorzeitigen Ausscheiden Heinrich Lübkes
1969 nicht vergleichbar. Köhler muss sich fragen lassen, ob er nicht
reichlich verantwortungslos handelt. Denn mit seiner Flucht entwertet
er, der stets Achtung vor dem Staatsoberhaupt gefordert hat, nämlich
exakt dieses höchste Amt unseres Staates. Sein Hinwerfen wirkt wie
eine kurzfristige, hilflose und beleidigte Reaktion, weil er nach
missverständlichen Äußerungen zur Rolle der Bundeswehr massiv in die
Kritik geriet. Doch muss das nicht jemand, der Deutschland
repräsentieren will, aushalten? Ein Berufspolitiker hätte das
weggesteckt. Doch Horst Köhler hat als ehemaliger Beamter und Chef
des Internationalen Währungsfonds wenig Erfahrung mit solchen
Attacken. Vielleicht ist das die Kehrseite der guten Idee, einen
Nicht-Politiker zum Bundespräsidenten zu machen. Weitere Möglichkeit:
Horst Köhler hat nur auf einen Vorwand zum Abtreten gewartet. Denn er
muss gespürt haben, dass er nicht mehr viel bewegen kann. Da die
offizielle Macht eines Präsidenten beschränkt ist, muss er es
schaffen, dass die Bevölkerung ihm zuhört und seine oft mahnenden
Worte ernst nimmt. Köhlers Vorgänger haben da teils hohe Maßstäbe
gesetzt. Doch von Köhler gingen keine Impulse mehr aus, seine zweite
und laut Verfassung letzte Amtszeit drohte glücklos dahin zu dümpeln.
Wollte er dem rasch ein Ende setzen? Auch das wäre verantwortungslos.
Doch die Alleinschuld trägt Köhler nicht: Alle kampfgewohnten
Politiker sollten überlegen, ob sie künftige Präsidenten ähnlich
ruppig wie ihn angehen. Denn einen Bundespräsidenten, wie es Jürgen
Trittin getan hat, als "rhetorische Deckskanone" zu bezeichnen und
Zweifel an dessen Grundgesetztreue zu äußern, muss wirklich nicht
sein. Jetzt ist die Politik gefragt, um die Situation zu bereinigen.
Das wird schwierig. Angela Merkel wusste nur zu gut, warum sie Köhler
noch in letzter Minute umstimmen wollte. Besser wäre gewesen, sie
hätte sich vorher schützend vor ihn gestellt.

Originaltext: Westdeutsche Zeitung
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Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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