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Westfalen-Blatt: Thailand: Eine Demokratie reibt sich auf

Geschrieben am 19-05-2010

Bielefeld (ots) - Er trägt ein T-Shirt mit dem Konterfei Mahatma
Gandhis und lässt sich von Soldaten abführen. Jatuporn Prompan ist
einer der Führer des Rothemden-Protests, die gestern mit ihrer
freiwilligen Aufgabe ein Massaker in Thailands Hauptstadt verhindert
haben. Das muss anerkannt werden. Dennoch ist das Bild aus Bangkok
leider schief. Denn es hätte nicht zu dem Militäreinsatz kommen
müssen. Vielmehr haben die Aufständischen ihren Teil zur Eskalation
im Ringen mit einer ohne Frage längst nicht mehr rechtsstaatlich
blitzblanken Führung beigetragen. Premierminister Abhisit Vejjajiva
hatte vor 14 Tagen Neuwahlen angeboten. Das reichte den Radikalsten
unter den Rothemden nicht. Gemäßigtere zogen sich daraufhin in den
Norden Thailands zurück. Stärker auf Krawall gebürstete Kräfte bis zu
den anarchistisch orientierten Schwarzhemden rückten dafür ins
Geschäftszentrum der Hauptstadt nach. Die jetzige Zuspitzung hilft
letztlich niemandem. Die Hardliner auf Regierungsseite können
selbstgewiss behaupten, man hätte viel eher durchgreifen müssen. Auf
der anderen Seite wird mit jedem Toten und jeder Festnahme in diesen
Stunden der Keim für mehr und breitere Unzufriedenheit gelegt.
Gestern war nicht übersehbar, ob Bürgerkrieg herrscht, ob landesweit
Gewalt und Chaos drohen oder doch alles nur ein gewaltiges
punktuelles Rauchzeichen in Zeiten medialer Fokussierung bleibt.
Tatsache ist, dass die Wahlverlierer und Anhänger des früheren
Thaksin Shinawatra ihre Unzufriedenheit mit in die Provinz nehmen.
Radikalisierte Anhänger unter den Rothemden haben von der Macht
gespürt, die Sabotage und Nadelstiche verleihen. In diesen Stunden
wird sich zeigen, ob aus dem anfänglichen Katz-und-Maus-Spiel auf
Dauer ein blutiges Gemetzel zwischen schwer bewaffneten Militärs und
testosterongeleiteten Hitzköpfen wird. Ein Schnappschuss von einem
buddhistischen Barfuß-Mönch mit Stahlhelm dokumentiert die
Verwischung aller Kategorien. Die Erfahrung mit Konflikten zwischen
solcherart ungleichen Gegnern zeigt, dass der Weg zurück nur äußerst
schwierig ist. Eine immerhin gewählte legitime Regierung, die
Versöhnung schwer macht, ein König, der in Wahrheit mehr Furcht als
Vaterlandsliebe hat, und Militärs, deren Zuverlässigkeit bis gestern
hielt, aber keinesfalls sicher ist, lassen fast nur den einen Schluss
zu: Die Instabilität einer in Teilen zu Wohlstand gelangten
Gesellschaft und die raffinierte Inszenierung verschiedenster Formen
von zivilem Ungehorsam treiben das Land in die Katastrophe. Mit
Gandhis Strategie des gewaltlosen Widerstands hat das Konzept der
Rothemden nichts zu tun. Ein echtes politisches Programm über die
Rehabilitierung Thaksin Shinawatras hinaus haben sie jedenfalls
nicht. Die Welt scheint eine einst feste Demokratie verloren zu
haben.

Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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