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Börsen-Zeitung: Die letzte Chance für den Euro, Kommentar von Jürgen Schaaf zur Fiskalpolitik der Europäischen Zentralbank

Geschrieben am 18-05-2010

Frankfurt (ots) - Die Brandmauer zwischen Geld- und Fiskalpolitik
ist durch die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB),
Staatsanleihen zu kaufen, brüchig geworden. Um nun zu verhindern,
dass es zu deutlich beschleunigter Inflation im Euroraum kommt, muss
ein harter Konsolidierungskurs der nationalen Regierungen folgen. Der
Spielball liegt im Feld der Finanzpolitik.

Die Notenbanker um EZB-Chef Jean-Claude Trichet haben indessen
eine Kommunikationsoffensive gestartet, um den gestiegenen
Inflationssorgen entgegenzutreten. Dabei bemühen sie die
monetaristische Logik, nach der beschleunigte Inflation auf
expansives Geldmengenwachstum zurückzuführen ist. Sie betonen, dass
die durch die Wertpapierkäufe geschaffene zusätzliche Liquidität an
anderer Stelle oder mit einigem zeitlichen Abstand absorbiert werden
kann. Technisch ist das in der Tat kein größerer Akt. Nur liegt das
Problem nicht in diesen handwerklichen Details, sondern in der
Übernahme fiskalpolitischer Aufgaben.

Die Intervention der EZB hat den Zusammenbruch des europäischen
Staatsanleihenmarktes verhindert. Die Währungshüter haben aber nur
Zeit gekauft. Mehr nicht. Zwar sind die Liquiditätsprobleme
Griechenlands und Portugals vorerst vom Tisch. Dabei handelt es sich
aber nur um Symptome. Die beiden eigentlichen Ursachen hinter der
Krise der Eurozone sind immer noch nicht beseitigt: das Solvenz-
sowie das Ansteckungsrisiko.

Die Hellenen bekamen an den Finanzmärkten kein Geld mehr, weil das
Vertrauen der Anleger verschwunden war. Die Investoren bezweifelten,
dass sie ihren Einsatz je wiedersehen. Angesichts eines Schuldenbergs
von fast 130% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) waren diese Bedenken ja
auch mehr als geboten. Hinzu kommt, dass die
Konsolidierungsstrategie, die eine Reduzierung des Defizits, aber
nicht die erforderlichen Überschüsse in Aussicht stellt, die
Schuldenstandsquote Griechenlands in den kommenden Jahren
unweigerlich auf 150% des BIP ansteigen lassen wird. Denn eine
Wachstumsstrategie hat das Land nicht. Auch wenn es derzeit politisch
nicht opportun ist, an der langfristigen Zahlungsfähigkeit des
südosteuropäischen Mittelmeerstaats öffentlich zu zweifeln, ist diese
Skepsis ökonomisch in jedem Fall angebracht.

Zum Solvenzproblem der Griechen gesellt sich das Ansteckungsrisiko
für den Rest der Währungsunion. Wegen des hohen finanz- und
realwirtschaftlichen Integrationsgrads des Eurogebiets drohen die
anderen Länder der Reihe nach in Sippenhaft genommen zu werden. Der
Einwand, dass die Eurozone im Schnitt fiskalisch besser dasteht als
die USA, Großbritannien oder gar Japan, zieht leider nicht. Für die
Finanzmärkte ist der Zustand des schwächsten Glieds in der Kette
maßgeblich und nicht der Durchschnittswert. So wie der Beitritt zur
Eurozone den Südländern die Glaubwürdigkeit der stabilsten
Vorgängerwährungen D-Mark und Gulden mit einem Schlag bescherte,
belastet jetzt die Solvenzkrise des Landes mit der höchsten
Schuldenquote den ganzen Verein. Griechenland ist sozusagen überall.

Im Kern geht es also um ein fiskalisches Problem. Dieses kann
ultimativ nur durch fiskalische Maßnahmen, sprich strikte
Haushaltskonsolidierung erreicht werden. Auch die Notkredite der
Staatengemeinschaft tragen dieser Erkenntnis Rechnung, werden sie
doch unter strickten Bedingungen vergeben. Dass die Geldpolitik
aushilft, ist in zweifacher Hinsicht problematisch. Erstens fehlt die
Konditionalität, die die Währungshüter ansonsten bei jedem Not-Euro
für das klamme Griechenland gefordert haben. Das Ankaufprogramm für
Staatstitel beinhaltet keine formellen Auflagen für die unmittelbaren
Nutznießer aus der Eurozonen-Peripherie. Ein Anreiz zur fiskalischen
Läuterung fehlt.

Zweitens hat die EZB eine Kausalität geschaffen, die ihr den Kampf
gegen höhere Inflationsraten schwieriger bis unmöglich macht. Denn
wenn die Schuldenorgie der Euro-Staaten nicht aufhört, wird der
nächste Käuferstreik am Kapitalmarkt nicht lange auf sich warten
lassen. Dann lauten die Alternativen Staatsbankrott und Implosion der
Eurozone oder weitere Käufe von Staatsanleihen durch die Notenbank.
Dass die EZB im Zweifel mit dem Erhalt des Systems sympathisiert, hat
Notenbankchef Trichet den 330 Millionen Bürgern des Eurogebiets
deutlich vor Augen geführt. Der Preis für diesen Ansatz der
Monetarisierung der Staatsschuld sind höhere Inflationsraten.

Die Regierungen der Euro-Staaten sind es der Notenbank nun
schuldig, auf strikten Konsolidierungskurs umzuschwenken, weil diese
ihnen noch einmal Luft verschafft hat. Die Länder, die am tiefsten im
Schuldensumpf stehen, müssen dabei am drastischsten sparen, auch wenn
es noch so wehtut. Aber auch die anderen Euro-Staaten müssen ihre
öffentlichen Haushalte in Ordnung bringen, wollen sie keinen
besonders ungünstigen Platz in der Dominoreihe der Ansteckung
einnehmen. Es ist die letzte Chance, den Euro als eine stabile
Währung zu retten. Und nur als solche verdient er, gerettet zu
werden.

(Börsen-Zeitung, 19.5.2010)

Originaltext: Börsen-Zeitung
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Pressekontakt:
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Telefon: 069--2732-0
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