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Berliner Morgenpost: Zweierlei Lehren aus einem Krieg (Kommentar)

Geschrieben am 27-01-2010

Berlin (ots) - Vielleicht hat es einen tieferen Sinn, dass der
israelische Präsident Schimon Peres gerade jetzt vor dem Bundestag
spricht, wo die Bundesrepublik sich wegen Afghanistan wie selten
zuvor in ihrer mehr als 60-jährigen Geschichte mit Fragen von Krieg
und Frieden plagt. Denn die Lehren, die Peres und sein Land aus der
Schoah zogen, sind ja ganz andere als die, welche die mehrheitliche
pazifistisch gestimmte deutsche Bevölkerung gezogen hat.
Peres erzählte den Abgeordneten von seinem Großvater im
weißrussischen Wischnewa, der, in seinen Gebetsmantel gehüllt, mit
der ganzen Gemeinde von den Nazis in die Synagoge getrieben und dort
verbrannt wurde. "Konnte ein verfolgtes Volk, von den Stiefeln der
Täter zertrampelt, die mörderische Kriegsmaschine der Nazis
aufhalten? Wie viele Divisionen standen den Juden Europas zur
Verfügung? Wie viele Panzerwagen, Kampfflugzeuge, wie viele
Gewehre?", fragte Peres. Die Wehrhaftigkeit des heutigen Israel ist
für ihn eine direkte Folge der Wehrlosigkeit, mit der Juden im von
den Nazis besetzten Europa in Rauch aufgingen. "Nie wieder" bedeutet
für Israelis eben auch: "Nie wieder Opfer sein." Das beinhaltet die
Erkenntnis, dass das Leben von Menschen, ihre Freiheit und
Unantastbarkeit zuweilen auch mit Waffengewalt verteidigt werden
müssen.
Es ist erstaunlich, wie weit die Lehren aus der Vergangenheit an
diesem Punkt immer noch auseinanderklaffen. Während viele Deutsche
wie Bischöfin Margot Käßmann jeden Waffengebrauch letztlich für
verwerflich halten, würde Peres mit vielen Israelis und
Schoah-Überlebenden, die von den Alliierten gerettet wurden, darauf
bestehen, dass es letztlich darauf ankommt, für welchen Zweck sie
eingesetzt werden: um Böses voranzutreiben oder aber um noch
Schlimmeres zu verhindern.
Den Deutschen ist aus dem Holocaust ein tiefes Misstrauen gegen sich
selbst erwachsen. Und da in ihrer Geschichte Krieg des Öfteren mit
zweifelhaften Rechtfertigungen begründet wurde, wollen viele, dass
Deutschland besser gar nicht mehr militärisch handeln solle. Das ist
aber letztlich der einfache, ein zu einfacher Weg. Weil man sich den
quälenden moralischen Abwägungen, die mit heutigem kriegerischem
Handeln verbunden sind, nicht stellen will, zieht man sich auf das
vermeintlich sichere Terrain pazifistischer Gesinnung zurück.
Das Zusammentreffen von Peres' Rede im Bundestag und der
Afghanistan-Debatte zeigt jedoch, dass die Schoah nicht allein
Bezugspunkt notwendiger Erinnerungsarbeit ist, sondern dass die
moralischen Fragen, die sich daraus ableiten, weit in unsere
Gegenwart hineinragen und keinesfalls eindeutig sind. Etwa die,
welchen tätigen, möglicherweise auch militärischen Schutz sich die
Verfolgten dieser Welt von uns Deutschen erwarten dürfen.
Einfache Antworten darauf wird es nicht geben. Es wäre aber schon
viel geholfen, wenn man sich in Deutschland öfter daran erinnern
würde, dass nur Waffengewalt die Nazis von der Vollendung ihres
Judenvernichtungsprogramms abhalten konnte.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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