(Registrieren)

Berliner Morgenpost: Das Ende des Wunschdenkens - Leitartikel

Geschrieben am 14-12-2009

Berlin (ots) - Das Gute an dem missratenen Bombeneinsatz unserer
Afghanistan-Truppen ist, dass sich am Ende des Geschehens kein Mensch
mehr wird verstecken können hinter irgendwelcher Schönfärberei. Die
Bundeswehr ist in Afghanistan nicht im "Konsolidierungseinsatz", sie
betreibt dort auch nicht eine gehobene Form der Polizistenausbildung.
Sie beteiligt sich vielmehr an einem modernen, asymmetrischen Krieg
in einem Land, in dem die Terrortruppe der Taliban noch immer mehr
Macht und Einfluss und auch Unterstützer hat als die sogenannte
Regierung. Es ist brutal. Für die Bundeswehrsoldaten. Aber auch für
das sie tragende Volk, dessen Gemeinwesen auch auf dem Satz gründete,
nach dem von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen dürfe.
Diese konstitutive Säule des demokratischen Nachkriegsdeutschlands
wankt. Ein von einem deutschen Oberst befohlener Bombenangriff auf
eine Menschengruppe, der 142 Opfer fordert, kann nicht als Teil eines
humanitär getriebenen Auslandseinsatzes oder als bloße
Selbstverteidigung, als Notwehr beschrieben werden. Er ist eine
kriegerische Handlung.
Und aus Sicht der Opfer dieses Angriffs ist es auch unerheblich, dass
er Teil eines Gegenschlags ist, eine Reaktion auf den Terrorakt vom
11. September 2001. Für die Hinterbliebenen, für die Kinder und Enkel
dieser Opfer wird es ein tödlicher Angriff der Deutschen bleiben,
kein Akt der Befreiung. Auch vor dieser Tatsache sollte man nicht
länger die Augen verschließen. Wenn überhaupt, dann wird tatsächlich
unsere Freiheit am Hindukusch verteidigt, wie es Peter Struck vor
Jahren so martialisch ausdrückte, nicht die der Afghanen.
Wie schwer es ist, das einzusehen, wie schwer es ist, Abschied zu
nehmen von dem Wunschdenken, Deutschland dürfe der internationalen
Gemeinschaft bis in alle Ewigkeit ausschließlich als Friedensengel,
bestenfalls als pazifistische Hilfstruppe dienen - das sehen wir in
diesen Tagen hier in Berlin. Einen Minister, einen Staatssekretär,
einen Bundeswehrinspekteur hat die Salamitaktik im öffentlichen
Umgang mit dem Luftangriff von Kundus schon die Karriere gekostet.
Ein bis dahin überragend agierender Jungminister kommt zeitweise die
Klarheit abhanden, und er versucht sich in ungeordneter
Vorwärtsverteidigung. Selbst die Kanzlerin muss sich Fragen stellen
lassen, die zumindest auf Anhieb nicht beantwortet werden. Auch sie
ließ ja bisher nie durchblicken, dass dieser Angriff nicht
irgendwelchen anonymen Tanklastern galt, sondern leibhaftigen
Menschen. Hätte sie das nicht sagen müssen? Hätte sie nicht den Mut
zusammennehmen müssen, die Deutschen in aller Klarheit zu
informieren? Oder wurde sie selbst nicht informiert? Und was würde
das dann wieder bedeuten?
Den Bombenangriff von Kundus wird ein Untersuchungsausschuss des
Bundestags unter die Lupe nehmen. Es wäre zu wünschen, dass die
beteiligten Abgeordneten die üblichen parteipolitischen
Oberflächlichkeiten beiseite ließen. Und stattdessen einen Beitrag zu
Wahrheit und Wirklichkeit dieses Landes leisteten.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

242443

weitere Artikel:
  • Neue Westfälische: SPD fordert Veröffentlichung von NATO-Bericht Bielefeld (ots) - Bielefeld. Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, fordert vom Verteidigungsminister zu Guttenberg die Veröffentlichung des "Com-ISAF"-Berichts zum Luftschlag von Kunduz. Der Bericht sei zwar von der NATO als geheim eingestuft, so Arnold in einem Gespräch mit der in Bielefeld erscheinenden Neuen Westfälischen (Dienstagsausgabe). Aber die NATO hätte nach Informationen von Arnold nichts dagegen einzuwenden, wenn der Minister den Inhalt in eigenen Worten darstelle und wiedergebe. "Das mehr...

  • Südwest Presse: Kommentar zur BayernLB Ulm (ots) - Natürlich ist das ein Debakel für Bayerns Landesbank ebenso wie für die bayerische Staatsregierung. Deren einst so stolze Hausbank muss ihre österreichische Tochter nicht nur verschenken, sondern ihr auch noch eine teure Mitgift mitgeben, dass sie überhaupt genommen wird. Einen Zusammenbruch der Hypo Group Alpe Adria konnte sich weder München noch Wien leisten. Bayern hat die Bank vom Hals und viel Geld versenkt, Österreich sitzt jetzt allein auf den künftigen Risiken. So sieht das Ende mit Schrecken aus. Die politischen Druckwellen mehr...

  • Lausitzer Rundschau: Vor der Bundesratssitzung zum Wachstumsgesetz / Showdown im Steuerstreit Cottbus (ots) - Sollte das schwarz-gelbe Wachstumsbeschleunigungsgesetz am Freitag durch den Bundesrat rasseln und der Vermittlungsausschuss angerufen werden, muss man sich zunächst einmal nicht wundern: Das würde nur ins Bild des verkorksten Starts der neuen Bundesregierung passen. Aber weil es sich um das erste große Gesetzesvorhaben der Wunschkoalitionäre handelt, wären die Folgen dieser schwarz-gelben Länder-Revolte für zwei Protagonisten besonders fatal: Die Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU) und Guido Westerwelle (FDP) würden mehr...

  • Lausitzer Rundschau: Zur Wirtschaftskriminalität in der Region / Sicherer Standort Cottbus (ots) - Das ist eine gute Nachricht für die Region: Nach Erkenntnissen der Industrie- und Handelskammern von Berlin und Brandenburg ging im Jahr2008 die Wirtschaftskriminalität in der Lausitz und dem Elbe-Elster-Land zurück. Der Standort ist für die Ansiedlung von Firmen und deren Erhalt in dieser Beziehung attraktiver geworden. Das ist in der Konkurrenz zu anderen Wirtschaftsgebieten beispielsweise in grenzferneren Regionen und in Zeiten der Krise ein Vorteil. Vor allem zählt auch, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zu Afghanistan / Guttenberg Osnabrück (ots) - Politischer Härtetest Karl-Theodor zu Guttenberg sieht sich in der Kundus-Affäre mit vielen Ungereimtheiten und Vorwürfen konfrontiert. Wenig ist klar, bis auf eines: Der Verteidigungsminister wirkt gereizt, ja angeschlagen. Für die Opposition ist dies ein Glücksfall. Sie wittert die Chance, einen politischen Überflieger wieder auf Normalmaß zu stutzen. Der bevorstehende Untersuchungsausschuss bietet ihr dafür beste Voraussetzungen. Guttenberg droht dort einer Zermürbungskampagne ausgesetzt zu werden, die mit mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht