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Berliner Morgenpost: Wichtig ist, was unter den Minaretten gelehrt wird

Geschrieben am 29-11-2009

Berlin (ots) - Die Schweizer Entscheidung, den Bau von Minaretten
zu verbieten, gibt eine falsche Antwort auf eine richtige Frage. Die
Frage, die inzwischen ja alle europäischen Gesellschaften umtreibt,
ist die nach dem richtigen Umgang mit einer wachsenden muslimischen
Minderheit, nach den Grenzen der Toleranz gegenüber zuweilen
rückschrittlicher Sitten und wie man den kleinen Kern von Extremisten
von der muslimischen Mehrheit isolieren kann.
Die der konservativen SVP nahestehende Initiative, die sich nun in
der Schweiz durchgesetzt hat, gibt darauf eine viel zu simple
Antwort. Sie verdam mt das Minarett, das sie als Machtsymbol
des Islam deutet. Das ist kunsthistorisch nicht ganz von der Hand zu
weisen. Es nimmt aber die tradierte, dem christlichen Kirchturm
verwandte architektonische Geste wichtiger als das, was in der
Moschee unter dem Minarett an Inhalten gelehrt wird. Und darauf kommt
es am Ende an.
Gegner des Baus von Moscheen in Europa weisen gerne darauf hin, dass
es den Christen in manchen muslimischen Ländern ebenfalls verboten
ist oder sehr erschwert wird, Kirchen zu bauen. Zurecht sieht die EU
dies etwa in der Türkei als wichtige Hürde an für einen Beitritt des
Landes zur Union. Der Westen kann aber nur glaubwürdig für
Religionsfreiheit in muslimischen Ländern eintreten, wenn er sie
zuerst bei sich zuhause ernst nimmt. Wer sich gerade im Verhältnis
zum Islam viel zugute hält auf den Gewinn an geistiger und
politischer Freiheit, den Reformation und Aufklärung dem Westen
gebracht haben, kann dann nicht einfach wieder dahinter zurückgehen,
wenn der europäische Gefühlshaushalt durch muslimische Einwanderer
ein wenig durcheinandergewirbelt wird.
Europa hat viele Jahrhunderte gebraucht, um Konfessionskriege und
endlich auch den Judenhass hinter sich zu lassen. Ein Verbot des
Minarettbaus ist zwar noch kein Verbot von Moscheen. Es wirft die
Schweiz aber hinter das Niveau von Aufklärung und Toleranz zurück,
das Europa sich in der Vergangenheit so mühsam erarbeitet hat - und
das etwa die multiethnische Schweiz auch zu solch einem
bewundernswerten Erfolgsmodell gemacht hat.
Prinzipiell an einem weiten Begriff von Religionsfreiheit in Europa
festzuhalten bedeutet aber noch lange nicht, dass die
Mehrheitsgesellschaft von muslimischen Gemeinden in Einzelfällen
nicht auch einmal die Verkürzung oder den Verzicht auf ein Minarett
verlangen könnte. Etwa wenn das Bauvorhaben eine historische
Stadtsilhouette tatsächlich empfindlich stören sollte. Ein
Pauschalverbot hingegen stößt nicht nur die Schweizer Muslime vor den
Kopf - es sorgt auch in anderen Ländern, besonders wohl auch in
Deutschland, für Diskussionen.
Die Volksabstimmung zeigt, wie tief die Ängste vor dem Islam in
Europa sitzen. Ängste, die man in der Politik ernster nehmen sollte.
Das Votum der Schweizer war deshalb auch ein Referendum gegen den
Bundesrat in Bern und die politischen Eliten der Schweiz. Einen Weg
zur Lösung der drängenden Integrationsprobleme in Europa zeigt es
aber ganz bestimmt nicht auf.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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