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Berliner Morgenpost: Im Namen der Freiheit Unsinn verzapfen - Leitartikel

Geschrieben am 23-11-2009

Berlin (ots) - Blicken wir kurz noch einmal zurück ins Jahr 1998,
als Rot-Grün gerade eine Wahl gewonnen hatte und dann unter dem
legendären Motto "Regieren macht Spaß" einen Fehler nach dem anderen
beging. Die Quittung für diesen Stolperstart wurde später den
SPD-Landesverbänden ausgehändigt. Sie verloren ihre Wahlen, einer
nach dem anderen.
Es mag nicht ganz so schlimm sein wie damals. Einem der beiden
Regierungspartner fehlt ein wenig der Elan, den erst ein längerer
Verbleib auf den Oppositionsbänken auslöst. Die Union hat ja längst
wieder gelernt, dass Regieren eben nicht nur für große Freude sorgt,
sondern vor allem harte Knochenarbeit ist, bei der man zu allem
Überfluss auch noch ziemlich genau auf die Details achten muss.
Aber gerade deshalb, das lässt sich nach ein paar Wochen
schwarz-gelber Regierungszusammenarbeit bilanzieren, ist der
Koalitionsvertrag nicht gerade ein Meisterwerk. Er lässt zu vieles
offen, im Vagen, Unpräzisen. Die Steuerreform, die Gesundheitsreform,
das Betreuungsgeld, die Laufzeiten der Atomkraftwerke, all das wabert
seit Wochen vor sich hin, ohne Richtung, ohne Ziel, einfach so.
Buchstäblich jeder, der ein schwarz-gelbes Amt ergattert hat, äußert
sich zu diesem, zu jenem - der eine so, der andere so. Führung?
Richtung? Ziele?
Wenn's dann doch mal konkret wird bei Schwarz-Gelb, reibt man sich
die Augen. Neben Hundefutter und Schnittblumen sollen künftig auch
Hotelübernachtungen steuerlich begünstigt werden. Heiliger Kirchhof,
das verstehe, wer will! Gab es nicht mal eine CDU-Vorsitzende, die
Steuerprivilegien abbauen wollte, statt neue zu erfinden?
Ein Betreuungsgeld zum Beispiel. Was, bitte sehr, soll man von einer
Debatte halten, die sich darum dreht, in welcher Form im Jahr 2013
(Zweitausenddreizehn!) dieser bayerische Hausfrauenbonus ausgezahlt
werden soll? Und in der ausgerechnet eine liberale Partei dafür
plädiert, ein planwirtschaftlich anmutendes Auszahlungsverfahren
anzuwenden und die Freiheit der potenziellen Empfänger quasi auf null
zu setzen? Bildungsgutscheine für Null- bis Dreijährige, darauf muss
man erst mal kommen. Darf man die FDP und auch Teile der Union
freundlich daran erinnern, dass sie mal für etwas weniger Staat, für
weniger Gängelung, für mehr Eigenverantwortung eingetreten sind?
Unabhängig von derartigem Zusatzirrsinn, muss man sich ganz
grundsätzlich fragen, warum die Koalitionäre ausgerechnet über diesen
abseitigen Schauplatz toben, Kanzlerinnen-Machtwort inklusive. Eine
Prämie dafür auszuloben, dass der Bürger ein staatliches Angebot - in
diesem Fall einen Krippenplatz - nicht nutzt, ist mehr als
fragwürdig. Wie wär's mit Nichtnutzungsprämien für Universitäten,
Straßen, Sportplätze? Oder einem Bonus für ganz besonders brave
Staatsbürger, die niemals an Ereignissen teilhaben, die kostspielige
Polizeieinsätze erfordern? Der Nichtbesuch eines Fußballstadions zum
Beispiel könnte so zum privaten Kassenknüller werden. Eine wunderbare
Pandora-Büchse, die sich da langsam öffnet. Passt gut in diesen
Zeiten, in denen es auf Geld ja offensichtlich nicht mehr so ankommt.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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