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Berliner Morgenpost: Die Unabhängigkeit muss geschützt werden - Leitartikel

Geschrieben am 22-11-2009

Berlin (ots) - Die Mutter aller öffentlichen-rechtlichen
Rundfunkanstalten ist die BBC. Der britische Sender, 1922 als
privates Wirtschaftsunternehmen gegründet, wurde 1927 in den Dienst
der Öffentlichkeit gestellt. Das Programm sollte ebenso staats- wie
wirtschaftsfern entstehen; gesellschaftliche Mächte durften mitreden,
aber nicht allein entscheiden.
Weil das Gleichschalten der Massenmedien ein entscheidender Schritt
zur allumfassenden Macht der Nationalsozialisten war, bekam die
unsichere junge Bundesrepublik von den Alliierten das bewährte
öffentlich-rechtliche BBC-Modell für den Rundfunk verordnet;
privatwirtschaftlich organisierte Verlage boten wie gewohnt Zeitungen
und Zeitschriften an.
Mit den Jahren machten sich die Parteien ARD und ZDF zur Beute. Der
gesellschaftliche Auftrag inhaltlicher Ausgewogenheit mutierte zum
Proporzdenken in den Sendern, aus Balance wurde Beton: Posten wurden
nicht immer nach Qualifikation besetzt, aber durchweg nach
politischem Bekenntnis.
Dennoch hat sich das öffentlich-rechtliche System bewährt, es
überstand sogar das Aufkommen privater TV- und Radioanbieter.
BR-Intendant Gruber, ZDF-Chefredakteur Brender und manch andere
beweisen, dass journalistische Unabhängigkeit trotz gelegentlicher
Anrufe aus Staatskanzleien möglich ist. Brender bat in derlei
Telefonaten immer um schriftliche Eingabe - damit hatte sich das
Anliegen stets erledigt. Mögen viele öffentlich-rechtliche
Würdenträger politisch zu verorten sein, so reicht ihr Querkopf doch,
um dem gesetzlichen Auftrag nachzukommen.
Ausgerechnet Brender, der in der Elefantenrunde 2005 den
Wahlverlierer Schröder so virtuos piesackte, soll in dieser Woche nun
vom unionsdominierten Verwaltungsrat des ZDF aus dem Amt gehoben
werden. Der hessische Ministerpräsident Koch will schon seit Beginn
des Jahres verhindern, dass Brenders Vertrag verlängert wird,
ausgerechnet ein Landesregent, dessen Ergebnisse sich seit drei
Wahlen dramatisch verschlechterten.
Aus einer Personalie erwuchs zuerst ein Machtkampf, den die Akteure
über die Bundestagswahl hinauszögerten. Inzwischen ist die Causa
Brender zum Grundsatzkonflikt darüber angeschwollen, inwieweit die
Politik sich in die Personalhoheit des ZDF-Intendanten Schächter
einmischen darf. Wer entscheidet am Ende? Die Politik? Oder der
Senderchef?
In einem bislang einmaligen Appell mahnten am Wochenende 35
renommierte Staatsrechtler, die "beabsichtigte politische
Einflussnahme" zu unterlassen. Längst geht es nicht mehr um Brender,
sondern um die Grundsätze der Demokratie. Ausgerechnet in Zeiten, da
Verlage und Sender und damit die journalistische Qualität unter
massivem Druck stehen, muss das hohe Gut der Unabhängigkeit um so
entschiedener geschützt werden, ganz gleich, ob es um rote, schwarze,
gelbe oder grüne Posten geht. Es geht um die fundamentale Frage, ob
tagespolitische Spielereien die Erosion der Demokratie verschärfen
dürfen.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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