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Berliner Morgenpost: Hochmut der Macht kommt vor dem Fall - Leitartikel

Geschrieben am 12-11-2009

Berlin (ots) - Für Klaus Wowereit hätte der gestrige Tag nicht
übler laufen können. Kaum 24 Stunden, ehe er sich beim
SPD-Bundesparteitag zum stellvertretenden Vorsitzenden seiner SPD
wählen lassen möchte, haben ihm die eigenen Leute im Berliner
Abgeordnetenhaus die Gefolgschaft verweigert. Die Staatssekretärin in
der Bauverwaltung, Hella Dunger-Löper (SPD), wird nicht Präsidentin
des Landesrechnungshofes, wie das der Regierende, der Senat und die
Spitzen der Koalitionsfraktionen ausgeheckt hatten. Zwei Abgeordnete
der Koalition verweigerten dem Vorschlag des Senats die Zustimmung.
Die Bewerberin zog zurück. Rot-Rot schlitterte in die schlimmste
Krise seit Bestehen der Koalition.
Offensichtlich steht die Spitze der SPD so dermaßen unter internem
Druck, dass sie sich wider alle Vorsicht auf das riskante Spiel
eingelassen hat, trotz massiver Kritik der versammelten Opposition an
dem Personalvorschlag festzuhalten. Die SPD-Frauen drängen seit
langem darauf, bei der Vergabe von Spitzenjobs berücksichtigt zu
werden. Es entpuppte sich nicht erst gestern als kapitaler
politischer Fehler Wowereits, diesem Drängen ausgerechnet bei der
Besetzung des sensiblen Verfassungsorgans Rechnungshof nachgegeben zu
haben. Die Opposition zeigte sich von Anfang an zu Recht empört
darüber, dass hier ein direkter Wechsel aus einem der
skandalträchtigsten Teile der Exekutive, der Bauverwaltung, auf den
Posten der wichtigsten Finanz-Kontrollinstanz des Landes stattfinden
sollte. Auch aus der Linken drang zunächst deutliche Skepsis. Nur aus
Rücksicht auf eine angeschlagene SPD haben die Koalitionspartner sich
durchgerungen, den Vorschlag mitzutragen. Diese Ausgangslage hätte
ausreichen sollen, die Idee zu verwerfen - selbst wenn man
Dunger-Löper für eine qualifizierte Präsidentin hält. Man setzt nicht
seine Zwei-Stimmen-Mehrheit ein, um ein überparteiliches,
unabhängiges Verfassungsorgan bis weit über die Legislaturperiode
hinaus zu besetzen. Die Institution Rechnungshof hatte schon vor der
Niederlage Schaden genommen.
Es ist der Hochmut einer zu lange siegesgewohnten Koalition, der
gestern zu Fall kam. Es spielt keine Rolle, ob die U-Boote aus der
SPD oder der Linken kamen. Egal auch, ob die Abweichler Wowereit
treffen wollten, oder die Kandidatin, oder ob sie befürchteten, die
Gewaltenteilung könne geschwächt werden.
Die Folgen sind eindeutig: Die Koalition kann sich ihrer Mehrheit
nicht mehr sicher sein. Nicht mit Drohungen, Appellen und
Probeabstimmungen schaffen es die Oberen noch, ihre Leute zu
disziplinieren. Und dass, obwohl die Parlamentarier wissen mussten,
dass es diesmal keinen Denkzettel geben konnte, sondern nur eine
totale Niederlage. Anders als 2006, als Wowereit im ersten Wahlgang
durchfiel, war gestern kein zweiter Versuch möglich. Was muss für ein
Klima herrschen in Fraktionen, wo sich Volksvertreter nicht trauen,
ihre Bedenken offen zu äußern, sondern im Stillen das Messer zücken?
Die SPD muss ihren Politikstil dringend überdenken. Oder sie wird
wieder scheitern.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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