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Berliner Morgenpost: Die Kanzlerin verzichtet auf Grausamkeiten - Kommentar

Geschrieben am 10-11-2009

Berlin (ots) - Zumindest ökologisch gesehen war der Auftritt von
Angela Merkel zum Start der neuen Legislaturperiode bemerkenswert.
Denn selten zuvor war eine Regierungserklärung aus so viel
Recyclingmaterial zusammengestoppelt. Der wohlklingende
Fünf-Punkte-Plan birgt Altbekanntes: Krisenreaktion, Bürger mit Staat
versöhnen, Demografie, Umwelt, Verhältnis von Freiheit und
Sicherheit. Mit diesem Plan hätte jeder Kanzler seit 1949 antreten
können. Auch das Ankündigen einer "schonungslosen Analyse" hat man
schon mal gehört: Ob Bildung, Gesundheit oder Arbeitsmarkt - seit
Jahrzehnten wird schonungslos analysiert. Die Deutschen sind
Weltmeister im Beschreiben von Problemen; nur mit dem Lösen dauert es
ziemlich lange. Nach Wahlsieg, Wiedervereidigung und Einheitsjubiläum
hat die Kanzlerin das Land in wenigen Stunden wieder auf den kalten
Boden des Alltags zurückgeholt.
Kaum eine Regierung seit 1990 habe vor derartigen Herausforderungen
gestanden wie diese, hat Angela Merkel festgestellt. Das mag sein,
ist aber auch nicht neu. Die letzte schwarz-gelbe Regierung, die vor
27 Jahren ihre Arbeit aufnahm, hatte es nicht leichter. Die
Wirtschaft erlebte damals die längste Krise seit dem Krieg, die
Arbeitslosigkeit lag, wie heute, über sieben Prozent, die Inflation
bei 5,2, das Bruttosozialprodukt bei minus 1,1 Prozent. Kanzler Kohl,
Finanzminister Stoltenberg und Wirtschaftsminister Lambsdorff
handelten seinerzeit allerdings weitaus entschlossener, um den
Haushalt zu sanieren: Arbeitslosen- und Rentenbeiträge rauf, Kinder-
und Wohngeld gesenkt, Renten und Sozialhilfeerhöhung gestoppt, BAföG
auf Darlehensbasis umgestellt. Alles nicht schön - aber vor allem:
wirkungsvoll. Über geordnete Finanzen zu einem geordneten
Staatswesen, lautete die Parole. Bereits ein Jahr später hatten sich
die Zahlen gebessert.
Kanzlerin Merkel dagegen hat übers Sparen kaum Worte verloren,
stattdessen die ewige Hoffnungskarte Wachstum gespielt. Wolkig blieb
die Chefin dagegen bei Börsenumsatzsteuer und wirksamen Mitteln gegen
die Kreditklemme für den Mittelstand. Vor vier Jahren wurden noch
kleine Schritte als Rezept ausgegeben, diesmal regiert der
Stillstand: Nur keine Unruhe verursachen, irgendwie in die
Weihnachtspause gleiten und auf das neue Jahr hoffen. Es lebe die
Unauffälligkeit, denn die nächste Wahl wartet schon.
Gilt eine Regierungserklärung normalerweise fürs ganze Land, war die
gestrige Version eine Spezialausgabe für Nordrhein-Westfalen. Im Mai
bereits wird im größten Bundesland abgestimmt. Und die Geschichte der
Republik zeigt, dass die Bürger die Kräfte in Bund und Land gern
austarieren. Sollte sich Gabriels SPD rasch in der Opposition
einfinden, und nichts spricht dagegen, dann könnten Sozialdemokraten,
Linke und Grüne im Reiche Rüttgers eine erneute schwarz-gelbe
Mehrheit verhindern. Also verzichtet die Kanzlerin selbst auf die
allerkleinsten Grausamkeiten. Im Sommer 2010 wird sie womöglich eine
weitere Regierungserklärung abgeben - dann hoffentlich die richtige.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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