(Registrieren)

Landeszeitung Lüneburg: ,,Die Linkspartei ist sozial populistisch, aber ökonomisch völlig ignorant" -- Interview mit dem SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering

Geschrieben am 04-09-2009

Lüneburg (ots) - nt/wko Lüneburg. Die SPD in Thüringen und im
Saarland hat freie Hand bei Koalitionsverhandlungen. Im Bund, betont
SPD-Chef Franz Müntefering, bleibt es aber dabei: Kein Bündnis mit
der Linkspartei.

Ist mit Dieter Althaus' Rücktritt der Weg für eine große Koalition
in Thüringen geebnet?
Franz Müntefering: Das entscheiden die Sozialdemokraten vor Ort. Sie
werden die Gespräche über eine Koalition mit Linke und CDU jetzt
führen. Ergebnis offen. Der Rücktritt von Herrn Althaus war
konsequent und nötig und ein Lehrstück für die Bundestagswahl: Er
zeigt, dass niemand wieder gewählt wird, nur weil er schon auf dem
Sessel sitzt. Frau Merkel wird nachdenklich sein.

Was wäre Ihnen in Thüringen lieber: Schwarz-Rot, Rot-Rot oder
Rot-Rot-Grün?
Müntefering: Nicht ich führe die Gespräche, sondern die
Sozialdemokraten vor Ort. Sie entscheiden, wer am besten
zusammenpasst.

Das heißt, auch Heiko Maas hat trotz Ihrer ,,Freundschaft" zu
Oskar Lafontaine freie Hand im Saarland?
Müntefering: Ja, sicher. Sie haben kürzlich betont, dass sie nichts
von einer Neuauflage der Großen Koalition in Berlin halten. Wer
bleibt dann noch als realistischer Partner? Müntefering: Wir wollen
die entscheidende politische Kraft sein und mit den Grünen koalieren.
Wenn das nicht geht, versuchen wir es mit einer Ampelkoalition. Die
Voraussetzung wäre, dass es für Schwarz-Gelb nicht reicht. Und ich
prognostiziere: Das wird so sein.

Damals gab es mit der Ost-Politik die größte Abgrenzung zur Union.
Wo sehen Sie heute die Abgrenzungen?
Müntefering: Ein zentraler Punkt ist die Rolle des Sozialstaates. Im
Gegensatz zu Schwarz-Gelb wollen wir keine Reduzierung der großen
Sozialsysteme, keine Einschränkung der Arbeitnehmerrechte, keine
Fortführung der Atomenergie. Wir lehnen eine Steuersenkung für Reiche
ab, da dies die Handlungsfähigkeit des Sozialstaates erheblich
gefährden würde. Das heißt nicht, dass ich damit pauschale Kritik an
der Großen Koalition üben. Sie ist zwar hinter ihren Möglichkeiten
geblieben, hat aber alles in allem viel gute sozialdemokratische
Politik gemacht und war in der Wirtschaftskrise ganz nützlich.
Dennoch wäre es gut für das Land und für die Demokratie, wenn es
keine Verlängerung gäbe.

Hat die Linkspartei die SPD bei der Sozialkompetenz links
überholt?
Müntefering: Nein. Bei der Sozialpolitik kommt es darauf an, die
ökonomischen Voraussetzungen für hohe Sozialstandards zu schaffen.
Die Linkspartei ist sozial populistisch, aber ökonomisch völlig
ignorant und macht sich keine Gedanken darüber, woher das Geld kommen
soll für ihre Versprechungen. Auch deshalb kommt für uns eine
Zusammenarbeit auf Bundesebene nicht in Frage.

Wird es angesichts der Aufsplitterung des Parteienensys"tems
schwieriger, einen Wählerauftrag aus einer Wahl abzuleiten?
Müntefering: Die Parteienlandschaft ist vielfältiger geworden. Das
hat demokratischen Charme, ist aber auch eine besondere
Herausforderung an die Demokratie. Niemand weiß vor einer Wahl, wie
nach der Wahl die Mehrheitsverhältnisse sein werden, welche
Koalitionen möglich werden, welche Konsequenzen das politisch genau
haben wird. Niemand kann mehr sagen, dass das, was man vor der Wahl
anstrebt, tatsächlich komplett realisiert werden kann, da es auf
jeden Fall eine Koalition, und entsprechend Kompromisse geben wird.
Die SPD wirbt für ihre Ziele. Je stärker wir sind, um so mehr davon
können wir dann umsetzen. Wichtig ist, dass -- mit Ausnahme der
Linken im Bund -- im Prinzip jeder mit jedem koalieren können muss.
Jede Festlegung vor einer Wahl nach dem Motto ,,Mit dem rede ich auf
keinen Fall" macht zwischen demokratischen Parteien wenig Sinn.
Das Interview führte
Werner Kolbe

Originaltext: Landeszeitung Lüneburg
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/65442
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_65442.rss2

Pressekontakt:
Landeszeitung Lüneburg
Werner Kolbe
Telefon: +49 (04131) 740-282
werner.kolbe@landeszeitung.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

223037

weitere Artikel:
  • Hendrik Thalheim: Landgericht Hamburg gibt Gysi im Kern recht Berlin (ots) - Zum Urteil des Landgerichts Hamburg, das dem ZDF untersagt hat, den Eindruck zu erwecken, Gregor Gysi habe mit der Staatssicherheit zusammengearbeitet, erklärt der Sprecher der Fraktion DIE LINKE, Hendrik Thalheim: Das Landgericht Hamburg hat mit seinem heutigen Urteil in der Hauptsache im Kern den Anträgen von Gregor Gysi entsprochen. Dem ZDF ist untersagt worden, den Verdacht zu verbreiten, dass er an die Staatssicherheit berichtet habe. ¾ der Kosten des Verfahrens muss das ZDF tragen. Diese Entscheidung des Landgerichts mehr...

  • LVZ: FDP hält Regierung im Afghanistan-Konflikt "Wegducken" vor / Lafontaine schrecke vor keiner Vorverurteilung der Bundeswehr zurück Leipzig (ots) - Angesichts der jüngsten Konfliktlage in Nordafghanistan unter Einbeziehung der Bundeswehr hat die FDP den führenden Vertretern der Bundesregierung "ein Wegducken" angesichts der gefährlichen Lage verbunden mit zahlreichen Opfern vorgeworfen. Die Verteidigungsexpertin der Liberalen im Bundestag, Birgit Homburger, attackierte gegenüber der "Leipziger Volkszeitung" (Sonnabend-Ausgabe) zugleich die erneute Forderung von Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine nach sofortigem Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan: "Lafontaine ist mehr...

  • Der Tagesspiegel: Länder wehren sich gegen Kostenbeteiligung bei Schweinegrippe-Impfung Berlin (ots) - Die Finanzierung der Schweinegrippen-Impfung ist nach wie vor ungeklärt. Nach Informationen des Berliner "Tagesspiegels" (Samstagsausgabe) haben es die Länder-Finanzminister bei ihrer Konferenz in Berlin einhellig abgelehnt, sich an den Kosten der Impfaktion zu beteiligen. Sie begründeten dies damit, dass die Zusage der Bundesregierung an die Krankenkassen "ohne Absprache mit den Ländern" erfolgt sei. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hatte den Kassen versprochen, dass sie nur die Impfkosten für die ersten 50 Prozent mehr...

  • spectrum|K-Ausschreibung mit mehreren Gewinnern ist möglich / Beschluss des LSG NRW bestätigt: spectrum|K ist mit Generika-Ausschreibung auf richtigem Weg Berlin (ots) - Am 03. September 2009 entschied das Landessozialgericht Essen in einem Beschluss (Az.: L 21 KR 51/09), dass die Generika-Ausschreibung der DAK, die für jeden ausgeschriebenen Wirkstoff eine Zuschlagsvergabe an drei Pharmaunternehmen vorsieht, rechtmäßig ist. Damit revidierte das LSG einen Beschluss der 2. Vergabekammer Bund vom 19.05.2009, die genau diesen Sachverhalt anzweifelte. Aus diesem Beschluss lässt sich schließen, dass sich spectrum|K mit ihrer laufenden Ausschreibung, in der vier pharmazeutische Unternehmen mehr...

  • "Der integrative Charakter der Jugendfeuerwehr ist eine ihrer größten Stärken" / Jugendverband führt Zukunftsworkshops rund um das Thema Integration durch Berlin (ots) - Im Rahmen des diesjährigen Deutschen Jugendfeuerwehrtages im bayerischen Amberg stand heute das Thema Integration im Fokus der Jugendorganisation. Unter dem Motto "Unsere Welt ist bunt!" betreibt der Verband seit 2007 eine Integrationskampagne und ist damit Vorreiter unter den deutschen Jugendverbänden. Die Facetten dieses Themas beleuchteten die Jugendlichen und Jugendgruppenleiter in Amberg nun in einem Symposium und zahlreichen Zukunftsworkshops. Claudia Crawford, Bundesministern a. D. und Beiratsvorsitzende des Deutschen mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht