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Westdeutsche Zeitung: Wahlrecht = von Peter Kurz

Geschrieben am 29-06-2009

Düsseldorf (ots) - Vor einem Jahr geißelte das
Bundesverfassungsgericht die "Paradoxie des Bundeswahlgesetzes". Und
erklärte folgerichtig eine Regelung zu Überhangmandaten, die zu
absurden Ergebnissen führen kann, für verfassungswidrig. Doch dann
setzten die Richter der einen Paradoxie noch eine weitere obendrauf:
Der nächste Bundestag darf trotzdem noch nach altem Recht gewählt
werden.
Die höchsten Richter nehmen sich offenbar selbst nicht ernst.
Entsprechend fällt die Reaktion aus. Im September wird nach den alten
Regeln gewählt. Mit noch unabsehbaren Folgen. Sollte dann nämlich die
Zahl der Überhangmandate über die Macht entscheiden, dürfte es
Zweifel an der Legitimität des so ermittelten Wahlsiegers geben.
Das Karlsruher Urteil betrifft zwar zunächst mal nur einen eher
exotischen Fall: den des negativen Stimmgewichts, der durch
Überhangmandate entstehen kann. Aufgrund dieser komplizierten
Regelung kam es bei der Dresdner Nachwahl im Oktober 2005 - wegen des
Todes einer Direktkandidatin - zu der absurden Situation, dass die
CDU möglichst wenig Zweitstimmen erringen wollte, um sich einen
zusätzlichen Sitz im Bundestag zu sichern. Solchen Unsinn verbietet
Karlsruhe - demnächst.
Ein Jahr lang war Zeit, um die Regeln zu ändern. Längst könnte eine
faktische Abschaffung der Überhangmandate durch deren Verrechnung mit
den Listenplätzen vereinbart sein. Überhangmandate, die entstehen,
wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate erringt als
ihr nach ihrem Zweitstimmenanteil zustehen, verzerren den Zählwert
der einzelnen Wählerstimme. Erzielt eine Partei solche Sitze, so hat
die Stimme ihrer Wähler mehr Gewicht als die der anderen Parteien.
Dass die Union eine Reform noch nicht anpacken will, liegt daran,
dass sie im Herbst voraussichtlich die meisten Überhangmandate
einfahren wird. Weil die SPD in der Vergangenheit auch von
Überhangmandaten profitierte, unternahm sie lange Zeit keine
Reformbemühung. Nun aber will sie für dieses Thema nicht die
Koalition platzen lassen. Der Bürger soll also auf
verfassungswidriger Grundlage seine Stimme abgeben. Das wird den
Wahlsieger in seiner Legitimation schwächen. Und auch die Akzeptanz
der Wahl.

Originaltext: Westdeutsche Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/62556
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Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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