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Berliner Morgenpost: Die Internet-Sperre, ein Feigenblatt

Geschrieben am 18-06-2009

Berlin (ots) - Das ist ja gar keine Frage. Wer sich im Internet
bewegt, dieser wunderbaren Fundgrube der Menschheit, der stößt früher
oder später auch auf jede Menge Dreck. Seiten, bei denen einem die
Suppe wieder hochkommt, Bilder, die man überhaupt nicht sehen will,
Spiele, bei denen man sich die Frage stellt, wer an so einem Mist
Freude haben kann. Im World Wide Web treffen sich Nazis und
Kinderschänder und im Zweifel auch noch die Kannibalen. Es ist die
Pest. Und es ist wie im richtigen Leben. All diese Widerwärtigkeiten
gibt es auf dieser Erde, einiges, vieles, ganz real, anderes Gott sei
Dank auch nur in den Köpfen von Menschen, aber das macht es ja auch
nicht so viel besser.
Müssen wir also, weil das so ist, und weil wir uns, unsere Kinder vor
dem digitalen Müll schützen wollen, Teile des Internets abschalten,
Inhalte zensieren, den Zugang erschweren, eine Art Internet-Polizei
schaffen, die alles mögliche durchforsten und zur Anzeige bringen
kann?. Eine Internet-Staatsanwaltschaft, die im Zweifel Anklage
erhebt und ein Internet-Gericht, das Urteile fällt und Seiten sperrt
und die Nutzer bestimmter Server hinter Gitter bringt? Denkbar ist
das alles. Justiz 2.0, das wäre ein gigantischer, zwangsläufig
international operierender Apparat, der den Internet-Tätern auf die
Spur kommen soll. Eine Art World-Wide-Zensurbehörde unter Obhut der,
sagen wir mal, Uno 2.0 in der dann, beispielsweise, China ein
Vetorecht hätte.
Soweit ist es nicht. Zunächst einmal hat der Bundestag gestern ein
Internet-Stoppschild für Webseiten mit kinderpornografischem Inhalt
beschlossen. Das ist, nach allem was man weiß, gut gemeint, aber
ziemlich leicht auszutricksen. Ein Feigenblatt, das kein einziges
Kind vor diesem fiesen Schicksal bewahren wird. Und das natürlich
keinen, der solch eine Schweinerei nötig hat, daran hindern wird,
seinem Geschäft weiterhin nachzugehen. Dazu bedarf es der realen
Polizei, der realen Justiz und sehr realer globaler Zusammenarbeit in
der Welt, 1.0 natürlich.
Was wir brauchen ist kein mehr oder weniger zuverlässiges Stoppschild
auf dem Monitor, sondern eine aggressive nationale wie internationale
Ächtung und strafrechtliche Verfolgung jeglichen Versuchs, Kinder für
was auch immer zu missbrauchen. Das gilt für Kinderpornografie im
Internet, aber auch für Kinderarbeit, für häusliche Gewalt gegen
Kinder, für übelste Vernachlässigung von Kindern oder auch, nur als
Beispiel, für die immer häufigeren Versuche, Kinder mitten in der
Stadt als Hilfsbettler einzusetzen. Gibt es alles. Auch hier. Kann
man was gegen tun. Los.
Noch eins. Die gestern beschlossene Internet-Sperre mag wenig
effizient sein, als Menetekel für den Untergang der
Informationsfreiheit aber taugt sie auch nicht. Die Vermutung, einmal
geschaffen, könne ein solches Instrument mirnichts dirnichts auch
gegen beliebige andere Inhalte der Internet-Gemeinde eingesetzt
werden, unterschätzt Mittel und Möglichkeiten eines demokratischen
Rechtsstaats, aber auch die gewachsene Widerstandsbereitschaft der
Deutschen gegen Angriffe auf die Freiheitsrechte.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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